Nächtliche Smartphone-Nutzung bei Kindern und Jugendlichen: Konsequenzen für Schlaf, Aufmerksamkeit und schulische Leistungsfähigkeit?

19.10.2023

Nächtliche Smartphone-Nutzung ist für viele Kinder und Jugendliche alltäglich. Welche Auswirkungen die nächtliche Bildschirmzeit auf die Aufmerksamkeit und die schulischen Leistungen haben kann, untersucht die vorliegende Längsschnittstudie.

von Annika Arndt (✉ annika.arndt@univie.ac.at)

Die Studie will herausfinden, wie die nächtliche Bildschirmzeit die Aufmerksamkeit, die subjektiv wahrgenommene schulische Leistung und die tatsächliche Leistung in Form von Noten beeinflusst. Für die vorliegende Studie wurden Online-Befragungen mit 384 Eltern-Kind-Paaren durchgeführt. Die Eltern von Kindern im Alter von 10-14 Jahren gaben zu zwei verschiedenen Zeitpunkten Informationen zur nächtlichen Nutzungszeit, zur subjektiv wahrgenommenen Aufmerksamkeitsfähigkeit und zu den aktuellen schulischen Leistungen ihrer Kinder an.

Die Studienergebnisse zeigen primär, dass die nächtliche Nutzung von Smartphones bei 10-14-jährigen Kindern/Jugendlichen einen negativen Einfluss auf die von den Eltern wahrgenommene kognitive Aufmerksamkeit hat. Bei der Entwicklung von Aufmerksamkeitsdefiziten besteht oft die Gefahr, dass sich diese negativ auf die schulischen Leistungen auswirken, sowohl aus subjektiver Wahrnehmung als auch anhand objektiver Messungen. Außerdem ergab die Studie, dass sich die nächtliche Smartphone-Nutzung auch positiv auf die subjektive Schulleistung auswirken kann.


Die allgegenwärtige Präsenz und die umfassende Nutzung von Smartphones sind charakteristisch für die heutige Gesellschaft, wobei das Smartphone zu einem unverzichtbaren täglichen Begleiter für viele Menschen geworden ist. Eine weit verbreitete Praxis, insbesondere unter Jugendlichen, ist die nächtliche Smartphone-Verwendung kurz vor dem Zubettgehen. Viele Expert*innen raten von der Nutzung im Bett ab, da einige Nutzer*innen durch die Verwendung meist (zu) spät einschlafen oder durch die nächtlichen Benachrichtigungen geweckt werden könnten. Des Weiteren ist es wichtig anzumerken, dass das Bett eine Umgebung sein sollte, in der die Regeneration und die Vorbereitung auf den Schlaf gefördert werden. Die Nutzung von Smartphones kann diese Phase beeinträchtigen, da sie nachweislich psychologische und physiologische Aktivität auslösen kann. Darüber hinaus kann das intensive helle Licht, das von Smartphone-Bildschirmen ausgeht, den Rhythmus des Schlafs stören.

Kommunikationswissenschaftler*innen erforschen bereits seit längerem, wie viel Zeit junge Menschen am Smartphone-Bildschirmzeit verbringen und speziell, wie viel davon auf die Nachtstunden entfällt. Gerade im Hinblick auf die Entwicklung, die physische und psychische Gesundheit sowie letztendlich auch die schulische Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen sind Schlaf und dessen Qualität von essenzieller Bedeutung. Forscher*innen äußerten in der Vergangenheit sogar, dass Symptome der Aufmerksamkeitsstörung kaum von den Symptomen des Schlafmangels differenziert werden können.

Schlafmangel führt zu Aufmerksamkeitsdefiziten

Einige Datenerhebungen legen dementsprechend bereits nahe, dass durch Schlafmangel bei jungen Menschen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme entstehen. Trotz der Relevanz des Themas basieren die meisten Untersuchungen von Smartphone-Nutzung im Zusammenhang mit schulischer Leistungsfähigkeit auf Querschnittstudien.

Die Studie der Kommunikationswissenschaftler*innen Anja Stevic, Desirée Schmuck, Marina F. Thomas, Kathrin Karsay und Jörg Matthes von der Universität Wien soll diese Forschungslücke schließen. Sie erhoben im Rahmen ihres Forschungsprojektes Daten von 384 Eltern-Kind-Paaren (mit Kindern im Alter von 10-14 Jahren), um die nächtliche Smartphone-Nutzung mit den von den Eltern berichteten Aufmerksamkeitsproblemen und der subjektiv wahrgenommenen und der tatsächlich erreichten schulischen Leistung in Zusammenhang zu setzen.

Die Längsschnittstudie erhob in zwei Wellen Daten von 10-14-jährigen Kindern und Jugendlichen durch jeweils einen Elternteil und ist Teil eines größeren Projekts von Kind-Eltern-Erhebungen zum Thema Smartphone-Nutzung. Die Studie wurde in Deutschland zu zwei Zeitpunkten, im September 2018 und im Februar 2019, durchgeführt. Die Quotenstichprobe wurde auf Grundlage von Alter und Geschlecht der Eltern zusammengesetzt. Abgefragt wurden insbesondere die Smartphone-Nutzung des Kindes, nachdem es zu Bett gegangen war, die Aufmerksamkeitsfähigkeit, die subjektiv wahrgenommene schulische Leistung und die tatsächlichen Noten in Deutsch, Englisch und Mathematik.

Social Media und die schulischen Leistungen: Ein überraschendes Ergebnis?

Die Studienautor*innen konnten einen negativen Zusammenhang der nächtlichen Smartphone-Nutzung mit den Aufmerksamkeitsproblemen nachweisen, die die Eltern in der kognitiven Leistungsfähigkeit ihrer Kinder bemerkten. Das, so die Forscher*innen, sei wenig überraschend, da das nächtliche Chatten, Posten und Kommentieren (etwa in den sozialen Netzwerken Facebook und Snapchat, die besonders häufig abends und nachts genutzt werden) den Schlaf verzögert oder sogar unterbricht. Besonders Kinder und Jugendliche, die viele verschiedene Social-Media-Plattformen nutzen, tendieren dazu, diese Medien in höherem Ausmaß und zeitlich länger zu konsumieren.

Das Ergebnis der Studie zeigt, dass sich aufgeschobener oder gestörter Schlaf aufgrund der Smartphone-Nutzung über einen längeren Zeitraum negativ auf die kognitive Entwicklung und Konzentration auswirkt. Die daraus resultierenden Aufmerksamkeitsprobleme könnten zu einem Rückgang der subjektiv wahrgenommenen schulischen Leistungen führen. Die Analyse der Daten zeigt aber auch einen positiven Zusammenhang zwischen der nächtlichen Smartphone-Nutzung der Kinder und den erzielten Schulleistungen im Laufe der Zeit, denn die Nutzung des Smartphones am Abend war in einem Zeitraum von vier Monaten mit höheren Schulleistungen verbunden. So könnte das Smartphone beispielsweise am Abend genutzt werden, um sich über schulischen Inhalt auszutauschen. Das Forschungsteam betont, dass der Medienkonsum auf verschiedene Kinder und Jugendliche unterschiedliche Auswirkungen und entsprechende Konsequenzen haben kann. Studienautorin Anja Stevic folgert daher, dass "die Ergebnisse die Bedeutung der Regulierung der nächtlichen Smartphone-Nutzung bei Kindern betonen, um mögliche, nachteilige Auswirkungen auf die Aufmerksamkeit und schulische Leistungen zu minimieren."

Fazit: Nächtliche Smartphone-Nutzung stört die Aufmerksamkeit, nicht zwangsläufig die Notenleistung

Insgesamt betrachtet wurde in der Langzeitstudie ein direkter, positiver Zusammenhang zwischen nächtlicher Smartphone-Nutzung und den erzielten schulischen Leistungen nachgewiesen. Allerdings wurde auch gezeigt, dass die nächtliche Nutzung von Smartphones bei Kindern über einen längeren Zeitraum schädliche Auswirkungen auf die kognitive Aufmerksamkeitsfähigkeit am Tag haben kann. Darunter litt entsprechend die subjektive Wahrnehmung der schulischen Leistungen. Dies liegt daran, dass der Mangel an ausreichender Erholungszeit mit Aufmerksamkeitsproblemen in Verbindung steht. Es ist fraglich, ob diese Ergebnisse auf alle Kinder gleichermaßen zutreffen oder von anderen individuellen oder schulbezogenen Faktoren beeinflusst werden. Dementsprechend wäre es interessant, die Studie zu vertiefen, indem persönliche Faktoren, wie etwa eine ADHS-Diagnose, berücksichtigt werden. Anja Stevic betont abschließend die Wichtigkeit der Entwicklung von wirksamen Maßnahmen, "um die nächtliche Smartphone-Nutzung von Kindern zu optimieren."

Publikationsdetails

Stevic, A., Schmuck, D., Thomas, M. F., Karsay, K., & Matthes, J. (2023). Distracted children? Nighttime smartphone use, children's attentional problems, and school performance over time. The Journal of Early Adolescence. Advance online publication. doi:10.1177/02724316231164734

Anja Stevic ist seit 2021 Postdoc am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

 

Desirée Schmuck ist Professorin für Medienwandel und Medieninnovation am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

 

Marina F. Thomas ist seit 2019 Praedoc am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

Kathrin Karsay ist Tenure Track-Professorin für Unterhaltungsforschung am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

 

Jörg Matthes ist Professor für Kommunikationswissenschaft am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.