Ghosting in romantischen Beziehungen und Freundschaften: Ursachen und Folgen unter Ghoster*innen

18.04.2023

Ghosting – ein einseitiger Abbruch der Online-Kommunikation, für den kein expliziter Grund angegeben wird – wird vor allem im Kontext von romantischen Beziehungen und aus Sicht von Geghosteten häufig diskutiert. Die frisch publizierte Studie beleuchtet das Phänomen aus der Perspektive von Ghoster*innen in unterschiedlichen Beziehungsarten und untersucht mögliche Ursachen und Langzeitfolgen.

von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)

In einer zweiwelligen Panelstudie mit ca. 1.000 jungen Erwachsenen im Alter von 16 bis 21 Jahren (rund 400 davon nahmen zu beiden Erhebungszeitpunkten teil) wurden mögliche Prädiktoren und psychische Auswirkungen von Ghosting untersucht. Dafür wurden – neben dem Ghosting-Verhalten der Teilnehmenden gegenüber romantischen Partner*innen und Freund*innen – Communication Overload (Überforderung mit dem Ausmaß an Kommunikation via Social Media), ihr Selbstwertgefühl und depressive Tendenzen gemessen. Die Studie ergänzt die bestehende Forschung zu Ghosting in Partnerschaften sowie in Freundschaften. Es sei wichtig, "nachdem sich bisherige Studien vor allem auf Geghostete konzentriert haben, auch Auslöser und Folgen des Verhaltens von Ghoster*innen für ihr Wohlbefinden zu untersuchen, um besser zu verstehen, warum Ghosting auftritt und wie es sich sowohl auf Ghoster*innen als auch auf Geghostete auswirkt", erklären die Kommunikationswissenschaftler*innen Michaela Forrai, Kevin Koban und Jörg Matthes von der Universität Wien.


Ob in Partnerschaften oder in Freundschaften: In mehreren Studien gaben die meisten Befragten an, dass sie bereits aktiv Erfahrung mit Ghosting gemacht haben. Wie Beziehungen aufgebaut, gepflegt und auch beendet werden, hat sich durch soziale Medien stark gewandelt, und obwohl Ghosting sich zu einem gängigen Verhalten entwickelt hat, ist die Forschung eher lückenhaft.

"Ein wesentlicher Ausgangspunkt des Projekts war das oft unterschiedliche Verständnis des Begriffs Ghosting: In unserer Studie sprechen wir nicht nur von Ghosting, wenn der Kontakt endgültig abgebrochen wird, sondern auch dann, wenn er von einer Seite unerwartet lange unterbrochen wird – entscheidend ist, dass dies ohne Erklärung passiert", erläutert Michaela Forrai, Erstautorin des Artikel. "Außerdem erweitern wir den häufig auf romantische Beziehungen beschränkten Fokus und untersuchen Ghosting auch innerhalb von Freundschaften".

Etwa 1.000 junge Erwachsene zwischen 16 und 21 Jahren nahmen an der Online-Umfrage teil, die im Frühling und Herbst 2021 durchgeführt wurde. Die Proband*innen wurden mit einem Abstand von vier Monaten zwei Mal zu ihrem Ghosting-Verhalten in Freundschaften und romantischen Beziehungen sowie zu ihrem Wohlbefinden befragt (davon nahmen rund 400 Personen zu beiden Zeitpunkten teil). Auf diese Weise konnten mittelfristige Ursachen und Auswirkungen von Ghosting in unterschiedlichen Beziehungsarten ermittelt werden.

Ghosting in Freundschaften und romantischen Beziehungen: Zwei unterschiedliche Phänomene

Die Ursachen von Ghosting und daraus resultierende psychische Folgen unterscheiden sich zwischen Freundschaften und romantischen Beziehungen, beispielsweise in puncto Communication Overload: Während unter Freund*innen eine Nachrichtenflut später nicht mit verstärktem Ghosting einhergeht, ist ein überhöhtes Nachrichtenpensum mit Kontaktabbrüchen zu Partner*innen verbunden. Die Autor*innen erklären dieses Ergebnis damit, dass Kommunikation in romantischen Beziehungen oft anspruchsvoller und zeitaufwändiger ist als in Freundschaften, und andere zu ghosten einen Weg bieten kann, dieser Überforderung auszuweichen. Ebenso spielt das Selbstwertgefühl einer Person nicht zwingend eine Rolle: Personen mit einem höherem Selbstwertgefühl neigen eher dazu, ihre Freund*innen zu ghosten, in Bezug auf das Ghosten romantischer Partner*innen wurde jedoch kein Zusammenhang festgestellt. Dies lässt sich damit begründen, dass mit einem höheren Selbstwertgefühl tendenziell eine aktivere Handlungsweise einhergeht; da die meisten Personen mehr freundschaftliche als romantische Beziehungen haben, ist es denkbar, dass Ghosting daher bei dem bewussten Kontaktabbruch zu Freund*innen eher eine Rolle spielt als in romantischen Beziehungen. Anders als vermutet erhöhen depressive Tendenzen einer Person die Wahrscheinlichkeit nicht, dass sie romantische Partner*innen oder Freund*innen ghostet. Die Autor*innen weisen darauf hin, dass Personen, die sich mit psychischen Problemen konfrontiert sehen, sich zwar einerseits eher zurückziehen (weshalb vorstellbar wäre, dass sie ihr Umfeld ghosten), andererseits aber auch nach Unterstützung in ihrem Umfeld suchen, was Ghosting unwahrscheinlicher macht.

Was Ghosting über längere Zeit bewirken kann

Die Studie gibt auch Antworten auf die Frage, in welchem Zusammenhang Ghosting über einen längeren Zeitraum mit dem Wohlbefinden von Ghoster*innen steht. Das Selbstwertgefühl blieb hierbei im Längsschnitt ohne Zusammenhang zum Ghosting-Verhalten. Dieses Resultat untermauert die Annahme, dass sich Ghosting in verschiedenen Beziehungskontexten zu einer "neuen Normalität" entwickelt hat. Trotzdem kann Ghosting auch zu negativen Konsequenzen für Ghoster*innen führen: So zeigte sich bei Befragten, die zum ersten Untersuchungszeitpunkt angaben, Freund*innen geghostet zu haben, ein Anstieg depressiver Gefühle bei der Zweiterhebung. "Auf Basis unserer Ergebnisse möchten wir einen Anstoß dazu geben, das eigene Ghosting-Verhalten, vor allem auch innerhalb freundschaftlicher Beziehungen, zu reflektieren – so könnten negative Folgen für einen selbst und auch für potenzielle Geghostete vermindert werden", so Forrai.

Publikationsdetails

Forrai, M., Koban, K., & Matthes, J. (2023). Short-sighted ghosts. Psychological antecedents and consequences of ghosting others within emerging adults' romantic relationships and friendships. Telematics and Informatics, 80, 101969. doi:10.1016/j.tele.2023.101969

Michaela Forrai ist seit März 2022 Praedoc am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

 

Kevin Koban ist seit September 2020 Postdoc am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

 

Jörg Matthes ist Professor für Kommunikationswissenschaft und Werbeforschung sowie stellvertretender Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.