Beispielsweise werben Flugunternehmen mit abstrakten Kompensationsversprechen wie Baumpflanzungen, die zu einer unbestimmten Zeit an einem unbestimmten Ort stattfinden. Oder sie werben mit konkreten Kompensationsversprechen wie Recycling direkt an Bord der Flugzeuge während des Fluges. Somit soll der Umweltschaden, der durch die schädlichen Emissionen der Flüge entsteht, wieder neutralisiert werden. Zahlreiche Kritiker*innen erheben jedoch den Vorwurf des Greenwashings gegenüber diesen Unternehmen, denn es fehlt Evidenz, dass diese Kompensationsmaßnahmen tatsächlich wirkungsvoll sind. Außerdem wird in Werbungen oft wichtige Information weggelassen, die notwendig wäre, damit Konsument*innen das Ausmaß des Umweltnutzens verstehen und eine informierte Kaufentscheidung treffen können.
Im Rahmen von zwei Studien haben Forscher*innen die Auswirkungen von abstrakten und konkreten Kompensationsversprechen in der Werbung und die Wirkung dieser auf die Wahrnehmung von Verbraucher*innen untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werfen sowohl theoretische als auch praktische Fragen auf und tragen dazu bei, ein tieferes Verständnis für die Dynamiken zwischen Unternehmen und Verbraucher*innen im Kontext umweltfreundlicher Werbung zu entwickeln.
von Annika Arndt (✉ annika.arndt@univie.ac.at)
Mittels eines multimethodischen Ansatzes haben Ariadne Neureiter, Marlis Stubenvoll und Jörg Matthes von der Universität Wien in zwei Studien untersucht, wie sich Kompensationsversprechen in der Werbung auf Konsument*innen auswirken. Die Untersuchungen fokussierten sich darauf, inwiefern Konsument*innen Greenwashing wahrnehmen, welche Rolle ihr Umweltwissen dabei spielt, und inwiefern dies zu Kaufboykotten und schlechteren Markenbewertungen führt. Die erste zweiphasige Panel-Befragung ergab, dass abstrakte Kompensationsversprechen der Unternehmen als Greenwashing wahrgenommen werden, während dies bei konkreten Versprechen nicht der Fall ist. Überraschenderweise spielte das Umweltwissen der Verbraucher*innen bei den Ergebnissen keine signifikante Rolle. In der zweiten experimentellen Studie zeigten die Autor*innen, dass auch konkrete Kompensationsversprechen als Greenwashing erkannt werden, jedoch in signifikant geringerem Maße als abstrakte Kompensationsversprechen. Beide Studien legen nahe, dass wahrgenommenes Greenwashing zu einer Bereitschaft führt, sich an Kaufboykotten von Unternehmen, die nicht umweltfreundlich sind, zu beteiligen. Zudem ergab Studie 2, dass wahrgenommenes Greenwashing die Kaufabsichten bei Unternehmen verringert, die mit Greenwashing assoziiert werden.
In den vergangenen Jahren ist Werbung vermehrt dadurch geprägt, dass sie grüne Werbestrategien, Umweltbewusstsein und Kompensationsversprechen integriert. Für Konsument*innen gestaltet sich die Unterscheidung zwischen bedeutungslosen Werbeversprechen und tatsächlich relevanten Botschaften zunehmend schwierig. Laut der Studie umfassen abstrakte Kompensationsversprechen Umweltprojekte, die zeitlich weit in der Zukunft liegen und generell schwer überprüfbar sind (etwa Baumpflanzungen). Konkrete Umweltprojekte hingegen beziehen sich auf unmittelbare Maßnahmen wie Recycling (von Müll) in Flugzeugen. Die Unterscheidung zwischen konkret und abstrakt bezieht sich demnach nicht auf die Klarheit der Botschaften, sondern auf die Greifbarkeit der Versprechen – sowohl zeitlich als auch räumlich.
Die vorliegende Studie der Kommunikationswissenschaftler*innen Ariadne Neureiter, Marlis Stubenvoll und Jörg Matthes zielt darauf ab, ein besseres Verständnis für die Fähigkeit der Verbraucher*innen zu entwickeln, Greenwashing in der Werbung von Unternehmen zu erkennen. Die Studie zeigt, ob Konsument*innen fähig sind, Greenwashing in Kompensationsversprechen – eingebettet in Werbung – zu erkennen und ob Umweltwissen dabei hilft. Darüber hinaus sollen die Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung von Greenwashing, der Markenbewertung und der Kaufabsicht aufgezeigt werden. Dies ermöglicht letztendlich Einblick, ob wahrgenommenes Greenwashing bei Verbraucher*innen dazu führt, sich in Form von Kaufboykotten zu engagieren – also bewusst auf Einkäufe zu verzichten, um einem Unternehmen, das sich nicht umweltfreundlich verhält, Schaden zuzufügen – oder in Form von Buycotts, bei denen verstärktes Kaufverhalten dazu dient, ein Unternehmen aktiv für seine Umweltmaßnahmen zu belohnen und somit den Umsatz zu steigern.
Greenwashing und Unsicherheit: Die Herausforderungen hinter Kompensationsversprechen in der Werbung
Dem Gabler Wirtschaftslexikon folgend bezeichnet Greenwashing den Versuch von Unternehmen, durch Kommunikation, Werbung und andere PR-Maßnahmen ein "grünes Image" zu kreieren, selbst wenn die konkreten operativen Umweltmaßnahmen häufig unklar bleiben. Der Begriff bezieht sich auf Umweltfreundlichkeit und Unternehmensverantwortung, die Konsument*innen suggeriert werden, jedoch in Wahrheit mehr Schein als Sein sind.
Greenwashing nimmt viele Formen an. So kann Werbung falsche Informationen verbreiten, nur vage und unüberprüfbare Aussagen beinhalten oder Konsument*innen hinters Licht führen, indem umweltschädliche Auswirkungen eines Produkts verschwiegen werden. Kompensationsmaßnahmen tauchen als neue Spielart des Greenwashings immer häufiger in Werbebotschaften auf. Das Versprechen, den eigenen Einfluss auf die Umwelt kompensieren zu können, ist dabei durchwegs von Unsicherheit geprägt. Die Berechnungen und Kalkulationen sind häufig intransparent, Informationen werden nur unvollständig zur Verfügung gestellt, wodurch der Umweltnutzen der Kompensationsmaßnahmen für Verbraucher*innen kaum nachzuvollziehen ist. Das Weglassen von Informationen wird in der Literatur als Greenwashing-Strategie bezeichnet, wobei die Umweltfreundlichkeit des Unternehmens in der Werbebotschaft besonders betont wird, während umweltschädliche Umstände verschwiegen werden. Insbesondere Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen mit einem umweltschädlichen Image anbieten, setzen auf vermeintlich grüne Werbung, um abzulenken und dem schädlichen Image entgegenzuwirken. Solche Kompensationsversprechen sind in jeder Branche zu finden – sei es bei Fluggesellschaften, Energieunternehmen, Fast-Food-Ketten, Unternehmen der Fast Fashion oder im Tourismus. Quellen zeigen, dass diese Kompensationsmaßnahmen häufig reine Marketingmaßnahmen sind und keine wirklichen Beiträge zum Klimaschutz darstellen.
Nichtsdestotrotz sind nicht alle Kompensationsversprechen irreführend. Eine Untersuchung solcher Versprechen von Fluggesellschaften stellte beispielsweise fest, dass 56% der Kompensationsversprechen von Expert*innen als vertrauenswürdig eingeschätzt wurden, da glaubwürdig und transparent sowie wissenschaftlich nachvollziehbar agiert wurde. Ariadne Neureiter betont die Wichtigkeit für alle Unternehmen, transparent zu kommunizieren, denn "wenn Greenwashing von Konsumierenden wahrgenommen wird, kann das negative Folgen für das Unternehmen haben. So sollte es auch in dem Interesse von Unternehmen sein, statt Greenwashing spezifische Webeaussagen zu tätigen, die einen signifikanten Umweltnutzen im Detail beschreiben."
Multimethodischer Ansatz: Erkenntnisse aus zwei Studien zu Kompensationsversprechen in Werbung und Greenwashing
Die Forscher*innen wählten einen multimethodischen Ansatz, um Erkenntnisse über die Auswirkungen von Kompensationsversprechen in Werbungen sowohl im Kontext des täglichen Medienkonsums sowie in einem kontrollierten Setting zu gewinnen. In einer ersten Panelstudie wurden Personen in Österreich im Alter von 18 bis 69 Jahren zu zwei Zeitpunkten befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass Verbraucher*innen abstrakte Kompensationsversprechen von Unternehmen als Greenwashing wahrnehmen, während konkrete Kompensationsversprechen nicht als Greenwashing gesehen werden. Das durch Wissensfragen gemessene Umweltwissen hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Erkennen von Greenwashing. Das Wahrnehmen von Greenwashing bleibt laut Studie nicht ohne Konsequenzen: Umso öfter die Teilnehmer*innen Werbung als Greenwashing deklarieren, umso mehr steigerte sich ihre Absicht, sich bei Unternehmensboykotten zu beteiligen.
Die zweite Studie wurde konzipiert, um die Ergebnisse der ersten zu validieren. Das experimentelle Design setzte die Teilnehmer*innen gezielt den konkreten und abstrakten Kompensationsversprechen in Form von Stimuli bestehend aus Werbebotschaften in einer kontrollierten Umgebung aus. Zusätzlich zu Greenwashing-Wahrnehmungen wurde beobachtet, ob Umweltwissen – identisch gemessen wie in der ersten Studie – Konsument*innen hilft, Greenwashing besser zu erkennen. Schlussendlich wurde untersucht, ob die Wahrnehmung von Greenwashing einen Einfluss auf die Markenbewertung und Kaufabsicht der Konsument*innen, sowie die Intentionen, sich einem Boykott oder Buycott anzuschließen, hat.
Im Experiment konnte gezeigt werden, dass sowohl abstrakte als auch konkrete Kompensationsversprechen als Greenwashing erkannt wurden; bei konkreten Werbemaßnahmen war dies jedoch deutlich weniger der Fall. Während wahrgenommenes Greenwashing in beiden Studien die Absicht der Verbraucher*innen voraussagte, sich an Umweltboykotten zu beteiligen, zeigte sich kein Einfluss auf die Absicht zum Buycott.
Fazit: Greenwashing als Herausforderung für Unternehmen
Verbraucher*innen stoßen auf Schwierigkeiten beim Erkennen von Greenwashing, insbesondere wenn es um konkrete Kompensationsversprechen von Unternehmen in Werbungen geht. Ariadne Neureiter fasst zusammen, dass es "Konsumierenden – auch mit hohem Umweltwissen – nicht immer leichtfällt, Greenwashing zu erkennen. Bei der Vielzahl an vermeintlich grüner Werbung heutzutage gewinnen Werberegulationen mit dem Ziel, Konsumierende vor irreführender grüner Werbung zu schützen, immer mehr an Wichtigkeit." Denn: Falls Greenwashing nicht erkannt wird, kann vermeintlich grüne Werbung zu einer positiven Bewertung des Produkts, der Dienstleistung oder des Unternehmens führen und somit die Kaufabsicht von Konsument*innen steigern. Dadurch kann es dazu kommen, dass umweltschädliche Produkte oder Dienstleistungen vermehrt gekauft werden, da sie irrtümlicherweise so erscheinen, als würden Konsument*innen durch den Kauf etwas Gutes für die Umwelt tun. Wenn Konsument*innen jedoch fähig sind, Greenwashing in Werbebotschaften zu erkennen, wirkt sich dies negativ auf das Unternehmen aus und kann zu Boykotten und einer Minderung der Kaufabsicht seitens der Kund*innen führen.
Die Studie betont die Wichtigkeit von transparenter Kommunikation seitens der Unternehmen. Um nicht in die Falle des Greenwashings zu tappen, müssen Unternehmen einen deutlichen Umweltnutzen ihrer Produkte, Dienstleistungen, oder ihres Unternehmens im Detail beschreiben und komplexe Hintergrundinformationen zu Kompensationsmaßnahmen in ihren Werbebotschaften klar und präzise vermitteln.