Versteckte Werbebotschaften: Wie fit sind Medienkonsument*innen beim Erkennen und Einordnen von Content-Marketing-Maßnahmen?

23.01.2023

Da klassische Werbung häufig gemieden wird, setzen Unternehmen auf unaufdringliche Werbeformen. Wie gehen Medienkonsument*innen mit solchen Werbeformen um, bei denen man den werblichen Charakter nicht gleich erkennt, und wie beurteilen sie diese?

von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)

Werden Content-Marketing-Formate wie "Native Advertising" oder "Sponsored Content" als Werbung wahrgenommen und wie werden sie beurteilt? Eine neue Studie der Universität Wien untersuchte, in welchem Ausmaß Medienkonsument*innen Content-Marketing-Aktivitäten von Unternehmen erkennen und einordnen. Mittels eines qualitativen Verfahrens wurden 50 Studienteilnehmer*innen unterschiedlichen Geschlechts, Alters und Bildungshintergrundes zu verschiedenen Content-Marketing-Maßnahmen befragt. Als Themenimpuls wurden ihnen in den Interviews vier Content-Marketing-Beispiele in Textform und ein journalistischer Beitrag gezeigt. Anschließend wurden sie darum gebeten, die Texte sowie die Intentionen dahinter zu reflektieren; darüber hinaus stuften sie ihre eigene Medienkompetenz ein. Die Interviews wurden aufgenommen, transkribiert und schließlich analysiert. Anhand welcher Merkmale Medienkonsument*innen Werbebotschaften erkennen und welche Typen von Content-Marketing-Konsument*innen herausgearbeitet werden konnten, wird im Folgenden erläutert.


Lese ich gerade einen informativen Beitrag oder handelt es sich um versteckte Werbung? Persuasive Botschaften in klassischen Werbeformaten sind für viele Mediennutzer*innen leicht zu erkennen und können auf einfachen Wegen – wie beispielsweise durch einen Adblocker – umgangen werden. Inzwischen arbeiten Unternehmen jedoch mit kreativen Content-Marketing-Maßnahmen, um Konsument*innen auf weniger aufdringliche Weise über Produkte und Dienstleistungen zu informieren und zum Kauf zu bewegen. "Darunter fallen u.a. von Unternehmen gesponserte Beiträge und sogenanntes 'Native Advertising', also Werbung – die an die Medienumgebung angepasst wird, in die sie eingebettet ist", erklärt Studienkoautorin Sabine Einwiller. Teilweise produzieren Unternehmen auch ihre eigenen Medienprodukte (wie Kundenmagazine), um ihre Zielgruppen anzusprechen.

Da Content-Marketing-Texte meist so gestaltet sind, dass sie nur schwer von journalistischen Beiträgen unterschieden werden können, spricht man auch von "hybriden Inhalten". "Problematisch ist, dass solche hybriden Inhalte von den Mediennutzer*innen nicht so leicht als Werbung erkannt werden wie traditionelle Werbung. So kann es vorkommen, dass sie ein Native Advertising lesen und denken, es handle sich um einen unabhängigen journalistischen Beitrag, obwohl der Text darauf abzielt, Interesse für ein Produkt oder ein Unternehmen zu wecken oder dessen Image zu verbessern", so Einwiller. 

In der Studie wurden 50 Perspektiven und Reaktionen zu Content Marketing erfasst

In ihrer Studie untersuchten Lina Stürmer und Sabine Einwiller von der Universität Wien die Perspektiven und Reaktionen von 50 Mediennutzer*innen mithilfe qualitativer Interviews, die zwischen Mai und Juni 2019 durchgeführt wurden. Zunächst wurde die generelle Mediennutzung erfragt, anschließend wurden allen Befragten fünf Content-Marketing-Beispiele präsentiert und darum gebeten, die Inhalte zu beschreiben sowie die Intentionen dahinter zu reflektieren. Darüber hinaus wurde gefragt, wie kritisch sie Medien rezipierten und ob sie mit Content Marketing vertraut seien. Das aufgenommene und transkribierte Antwortmaterial wurde mithilfe der Datenanalysesoftware MAXQDA ausgewertet.

Werbekennzeichnungen kommen beim Identifizieren von Werbung weniger zum Tragen

Bezüglich der Frage "wie gut können Medienkonsument*innen den kommerziellen Charakter eines Textes erkennen" lag es weniger daran, ob der Text mit einer Werbekennzeichnung versehen war, sondern in welcher Weise er seine Botschaft vermittelte. Enthielt das Content-Marketing-Beispiel eine erkennbare Verkaufsabsicht, einen Markenbezug oder eine gewisse Einseitigkeit, fiel es den Teilnehmenden leichter, den Text als Werbetext einzustufen. Während viele Teilnehmende – insbesondere die jüngeren – gesponserte Beiträge auf Social Media wie beispielsweise eine Facebook-Anzeige gleich als solche einordnen konnten, fiel die Werbeerkennung beim Native Advertisement und einer gesponserten Medienbeilage deutlich schwerer. Die Kennzeichnung als "Werbung" fiel den meisten nicht gleich auf, sondern wenn dann erst bei nochmaligem genauem Hinsehen. Auch bei dem unternehmenseigenen Medium, einem Kundenmagazin, wurde die Werblichkeit nicht gleich erkannt, sondern meist erst aufgrund des Markenlogos oder Impressums identifiziert.

Eine höhere Medienkompetenz scheint der springende Punkt zu sein

Personen, die sich selbst als hoch oder moderat medienkompetent einschätzten, konnten die kommerzielle Absicht deutlich besser erkennen als Personen, die ihrer Einschätzung nach über eine geringe Medienkompetenz verfügten. Ein gewisses Maß an Medienkompetenz scheint demnach wichtig zu sein, um hybride Inhaltsformen als Werbung wahrzunehmen. Allerdings stuften viele der Teilnehmenden Content Marketing nicht automatisch als Werbung ein, auch dann nicht, wenn sie die Quelle des Inhalts richtig identifizierten: "Dies deutet darauf hin, dass viele Menschen immer noch eine recht enge Definition von Werbung haben", kommentiert Einwiller. Viele reduzieren das Gestaltungspotenzial von Werbung auf eine plakative Aufbereitung, mit auffälligen Bildern, wenig Informationen und eindringlichen Botschaften.

Vier Typen von Content-Marketing-Konsument*innen

Die Studienautorinnen konnten aus den Interviews vier Typen von Content-Marketing-Konsument*innen herausarbeiten, die sich darin unterscheiden, dass sie Content-Marketing-Maßnahmen eher akzeptierend oder kritisch gegenüberstehen und diesbezüglich eine eher passive oder aktive Haltung einnehmen. Die Gruppe der "Neutralen" zeichnet sich dadurch aus, dass sie hybride Inhalte grundsätzlich akzeptieren, auch wenn sie sie vom Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung überzeugen sollen. Für sie ist es lediglich wichtig, dass der Inhalt interessant ist. Die sogenannten "Nachdenklichen" haben eine kritische Haltung, die sie aber nicht aktiv vorbringen. Sie denken besonnen über den Zweck des Content-Marketing-Textes und seine Glaubwürdigkeit nach, um nicht ungewollt beeinflusst zu werden. Der dritte Typ, die "Kritiker*innen", steht den hybriden Inhalten aufgrund ihrer unterschwelligen Überzeugungstaktiken nicht nur kritisch gegenüber, sondern fordert aktiv mehr Transparenz. Die "Kriteriker*innen" empfinden diese Art der Werbung sogar als störender als herkömmliche Werbeformen. Der entgegengesetzte Typ sind schließlich die "Enthusiast*innen", die diese Werbeformen aktiv akzeptieren und sie den klassischen Werbeformaten sogar vorziehen. Sie akzeptieren auch die Einbindung von Content Marketing in journalistische Medien, da diese dadurch eine Einnahmequelle haben.

Lösung: Erkennbare Werbekennzeichnung und mehr Medienbildung

Die Studie liefert Aufschluss über die Publikumsperspektive bei der Rezeption von Content-Marketing-Texten. Studienkoautorin Sabine Einwiller erklärt, was die Ergebnisse für die Praxis bedeuten: "Die Untersuchung deutet darauf hin, dass die in vielen Ländern gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung von Werbung nicht so wirksam ist, wie von den politischen Entscheidungsträger*innen beabsichtigt, und sie macht deutlich, dass mehr Aufklärung nötig ist, damit Medienkonsument*innen mehr Medienkompetenz erlangen, um Werbeinhalte besser erkennen zu können."

Publikationsdetails

Stürmer, L., & Einwiller, S. (2022). Is this advertising or not, and do I care? Perceptions of and opinions regarding hybrid forms of content. Journal of Marketing Communications. Advance online publication. doi:10.1080/13527266.2022.2154065

Lina Stürmer war bis Oktober 2022 Praedoc am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. (Image © Lina Stürmer)

 

Sabine Einwiller ist Professorin für Public Relations Forschung und Vorständin des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. (Image © Sabine Einwiller)