Populismus und ihre Unterstützer*innen: Ein Studie zur Wahrnehmung und Nutzung von Medien

11.10.2023

Studien zufolge konsumieren Anhänger*innen von Populist*innen tendenziell mehr Nachrichten als Bürger*innen, die keine populistischen Ansichten vertreten. Wie und warum Populismusanhänger*innen Nachrichten konsumieren und wie sie dabei ihre Emotionen steuern, wird in diesem Artikel erörtert.

von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)

Anhänger*innen von Populist*innen weisen oftmals ein komplexes Verhältnis zum Journalismus auf (beispielsweise, indem sie Eliten kritisieren [einschließlich der Mainstream-Medien] und dennoch Nachrichten im Übermaß konsumieren). Clara Juarez Miro von der Universität Wien untersuchte in 33 Tiefeninterviews mit rechts- und linkspopulistischen Anhänger*innen aus den Vereinigten Staaten und Spanien, wie diese ihre Nachrichtengewohnheiten einschätzen und wie sie sich in der gegenwärtigen Medienlandschaft mit einem Überangebot an Informationen zurechtfinden. Die Studie basiert auf den Lehren der Volkstheorie, die dazu beiträgt zu erfassen, wie Personen ihren Medienkonsum interpretieren und wie dies letztendlich ihre Nachrichtennutzung beeinflusst. Die Interviews wurden zwischen April und Oktober 2021 per Videoanruf durchgeführt und anschließend auf induktive Weise analysiert.


Politische Persönlichkeiten wie der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, sowie der Vorsitzende der spanischen rechtspopulistischen Partei Vox, Santiago Abascal, generieren mit ihrer markanten Rhetorik hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit und prägen die politische Landschaft von heute in bedeutendem Maße mit. Kommunikationswissenschaftler*innen beobachten, wie sich diese emotionale Rhetorik ausgehend von populistischen Politiker*innen häufig in den Meinungen ihrer Anhänger*innen widerspiegelt. Beispielsweise teilen sie oftmals die Ansicht, dass Mainstream-Medien voreingenommen oder parteiisch sind und nicht im Interesse des "Volkes" handeln. Obwohl die Anhänger*innen skeptisch gegenüber traditionellen Nachrichtenmedien sind und diese negativ wahrnehmen, zeigt sich dennoch, dass sie im Vergleich zu nicht-populistischen Bürger*innen tendenziell mehr Nachrichten, darunter auch von den besagten Mainstream-Medien, konsumieren.

In einer umfassenden Studie untersuchte die Kommunikationswissenschaftlerin Clara Juarez Miro das komplexe Verhältnis von Populismusanhänger*innen zum Nachrichten-Journalismus. Hierfür führte sie zwischen April und Oktober 2021 33 Tiefeninterviews mit rechts- und linkspopulistischen Anhänger*innen aus den Vereinigten Staaten und Spanien durch. In den Interviews ging sie den Fragen nach, wie diese Personen ihre Nachrichtengewohnheiten einschätzen und sie sich in der heutigen Medienlandschaft, die von einem Überangebot an Informationen geprägt ist, zurechtfinden.

Niedriges Medienvertrauen führt bei den Teilnehmenden nicht zur Vermeidung von Nachrichten, sondern zu mehr Exposition

In Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen teilten die Teilnehmenden die negative Haltung von Populist*innen gegenüber Massenmedien und äußerten ein geringes Vertrauen in diese. Dennoch konsumierten sie ausgiebig Nachrichten, wobei Emotionen in ihrem Medienkonsum eine tragende Rolle spielen. Während die Teilnehmer*innen negative Gefühle gegenüber Nachrichten im Allgemeinen zum Ausdruck brachten, genossen sie das Gefühl, stets über aktuelle und politische Geschehenisse auf dem Laufenden zu sein. Drei übergreifende Volkstheorien ließen sich in diesem Kontext aus den Interviews mit den Befragten zum Medienkonsum herausarbeiten:

"Everything is biased" – "Alles ist parteiisch"

Die Teilnehmenden empfanden, dass traditionelle Medien grundsätzlich voreingenommen sind und sich in der Berichterstattung oft gegen ihre bevorzugten Vertreter*innen und Ideen richteten. Dieser "Bias" in den Nachrichten würde sie darin einschränken, sich gut informiert zu fühlen. Daher konsumierten sie verschiedene Nachrichtenquellen mit unterschiedlichen Standpunkten, um potenzielle Wissenslücken auszugleichen. Trotz ihrer generellen Ablehnung von Nachrichtenmedien tolerierten die Teilnehmer*innen den vorhandenen Bias in Quellen, die ihre Ansichten vertreten.

"Es ist eine Möglichkeit zu sehen, was andere Leute denken"

Die Populismus-Anhänger*innen nutzen aktiv soziale Medien, um die öffentliche Meinung zu verschiedenen Themen zu erkunden. Soziale Medien ermöglichen es ihnen, Mitglieder ihrer Gemeinschaft ("des Volkes") zu finden, sich mit ihnen zu vergleichen sowie Trends in der öffentlichen Meinung der politischen Gegner*innen zu verfolgen. Durch den Zugriff auf übergreifende Online-Communities fühlen sie sich darin bestärkt, das Ideal informierter Bürger*innen zu erfüllen. Diese Schlussfolgerung basiert jedoch oft auf der Annahme, dass andere Menschen stärker von Medien beeinflusst werden als sie selbst.

"Es ist eine vergnügliche Nachrichtenquelle"

Die Teilnehmenden erläuterten, inwiefern ihnen die gezielte Nutzung von sozialen Medien und ideologisch konsistenten Nachrichten dabei hilft, ihre Stimmung zu regulieren. So verwendete eine Befragte etwa Facebook zur Nachrichtenrezeption, um unangenehme Nachrichten zu vermeiden, die sie bei gewöhnlichen TV-Nachrichten nicht einfach überspringen kann. Ein weiterer Befragter machte Gebrauch von einer Übersetzungssoftware, um Nachrichten aus dem Ausland zu konsumieren und mit den Nachrichten aus dem eigenen Land zu vergleichen. Durch diese bewusste Nutzung an vielfältigen Medien- und Nachrichtenquellen verfolgen Populismusanhänger*innen nicht nur ihr Ideal, gut informierte Bürger*innen zu sein, sondern schützen zusätzlich ihre emotionale Verfassung.

Die Forscherin richtet mit Blick auf die Ergebnisse folgende Handlungsempfehlung an Journalist*innen: "Die Studie legt nahe, dass es wichtig ist, dass Nachrichtenorganisationen die Emotionen und die Handlungsfähigkeit ihres Publikums, einschließlich der Anhänger*innen von Populist*innen, berücksichtigen. Nur auf diese Weise kann eine pluralistische demokratische Gesellschaft erhalten werden, in der sich die Menschen weiterhin auf Nachrichten verlassen, um ihr Gefühl, informiert zu sein, zu stärken."

Publikationsdetails

Juarez Miro, C. (2023). "Everything is biased": Populist supporters' folk theories of journalism. The International Journal of Press/Politics. Advance online publication. doi:10.1177/19401612231197617

Clara Juarez Miro ist seit Juni 2022 Postdoc am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.