von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)
Politische Informationen und Kenntnisse sind ausschlaggebend für die politische Partizipation von Bürger*innen in einer Demokratie. Neben klassischen Nachrichtenformaten wie Zeitung, Radio und Fernsehen werden zunehmend soziale Medien als Informationsquelle herangezogen, insbesondere bei jüngeren Generationen. "In einer Zeit, in der sich vor allem junge Wähler*innen politische Informationen auch direkt von Politiker*innen via Social Media holen, ist es wichtig, ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, welche Nachrichtenbeiträge Politiker*innen auf Social Media eigentlich so verbreiten", erklärt Studienautor Tobias Heidenreich. "Die Sorge wäre, dass ein zu strategisches Verhalten der Politiker*innen zu einem Informationsbias beitragen bzw. diesen verstärken könnte", führt er weiter aus. Entlang dieses Grundgedankens haben sich Forscher*innen des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) sowie der Universität Wien mit Facebook-Profilen von Politiker*innen aus unterschiedlichen Ländern mit differierenden politischen Systemen auseinandergesetzt und deren Sharing-Verhalten von Nachrichtenbeiträgen inspiziert. Dabei gingen sie konkret der Frage nach, "welche Faktoren die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, dass Online-Nachrichten von politischen Akteur*innen auf Social Media geteilt werden".
Das Team identifizierte 1.022 relevante Profile von Politiker*innen aus Deutschland, Spanien und dem Vereinigten Königreich und erhob 276.405 Facebook-Posts im Zeitraum zwischen Dezember 2017 und November 2018. Für die Forschenden war es wichtig, neben den geteilten Beiträgen der Politiker*innen auch jene Nachrichten auszumachen, welche im gleichen Intervall von den Nachrichtenmedien publiziert, von den Politiker*innen jedoch nicht geteilt wurden. Auf diesem Wege konnten sie jene stichhaltigen Merkmale einer Nachricht ausfindig machen, die die Politiker*innen als teilenswert erachteten. Daher akquirierten sie neben dem ersten Datensatz zusätzlich 623.919 Nachrichtenbeiträge von 22 Online-Medien aus den besagten Ländern. Im Zuge der statistischen Auswertung konnten drei übergeordnete Erkenntnisse zum News-Sharing-Verhalten europäischer Politiker*innen ermittelt werden.
Im ersten Schritt stellten die Forscher*innen fest, dass überwiegend Nachrichtenbeiträge geteilt wurden, welche die Partei des oder der Politiker*in erwähnten. Diese Ausprägung konnte in den drei untersuchten Ländern bestätigt werden, allerdings fällt sie verstärkt in Deutschland und Spanien aus. Politiker*innen aus dem Vereinigten Königreich schienen eher dazu bereit zu sein, auch Nachrichten zu teilen, "in denen nicht unbedingt die eigene Partei erwähnt wird".
Auch die Themen bzw. "Issues", welche die Partei einer oder eines Politiker*in vertritt, spielen eine Rolle bei der Weiterverbreitung von Nachrichten. Wenn eine Partei sich für ein spezifisches politisches Thema engagiert, neigen Politiker*innen dazu, Nachrichten, die sich inhaltlich darauf beziehen, mit ihren Follower*innen zu teilen.
Das letzte Ergebnis der Studie stützt sich weniger auf den Inhalt der Nachrichten, sondern auf das Nachrichtenmedium selbst. So teilen Politiker*innen vermehrt Nachrichtenbeiträge von Nachrichtenmedien, die von ihren Anhänger*innen bevorzugt gelesen werden. Die Forscher*innen vergleichen dieses News-Sharing-Verhalten mit dem von privaten Nutzer*innen, die das Teilen von Nachrichten in Anlehnung an die "Interessen und Präferenzen ihres Publikums ausrichten".
Die vorliegende Analyse des News-Sharing-Verhaltens von Politiker*innen deutet darauf hin, dass diese ihre öffentliche Reputation und Legitimation durch das Teilen von inhaltsbezogenen Nachrichten bestärken sowie die Unterstützung und Aufmerksamkeit ihrer Follower*innen gewinnen wollen. "Politiker*innen sind also sehr strategisch, wenn es darum geht, Nachrichtenbeiträge auf Social Media zu verbreiten. Wenn sich aber der Nachrichtenkonsum der Wähler*innen immer mehr nach der Vorselektion durch politische Akteur*innen richtet, kann dies zur Verstärkung der schon existierenden politischen Einstellungen führen und langfristig zur Polarisierung und Fragmentierung der Öffentlichkeit beitragen", warnt das Forscher*innenteam abschließend.
Publikationsdetails
Heidenreich, T., Eberl, J.-M., Tolochko, P., Lind, F., & Boomgaarden, H. G. (2022). My voters should see this! What news items are shared by politicians on Facebook? The International Journal of Press/Politics. Advance online publication. https://doi.org/10.1177/19401612221104740
Autor*innen
Tobias Heidenreich • Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Jakob-Moritz Eberl • Universität Wien
Petro Tolochko • Universität Wien
Fabienne Lind • Universität Wien
Hajo Boomgaarden • Universität Wien