von Alina Vianne Barr (✉ alina.vianne.barr@univie.ac.at)
Menschen mit Angststörungen erleben die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oft als herausfordernd, da sie Mobilitätssituationen als überfordernd empfinden. Viele Betroffene vermeiden daher den öffentlichen Nahverkehr oder schränken ihre Nutzung stark ein. Die Mobilität in öffentlichen Verkehrsmitteln ist jedoch aus drei wesentlichen Gründen für genau diese Menschen wichtig: zur Erfüllung alltäglicher Bedürfnisse, zur gesellschaftlichen Integration und zur Bewältigung des Alltags.
Die barrierefreie Infrastruktur der Wiener Linien ist bislang vorrangig auf die Bedürfnisse von Menschen mit körperlichen Behinderungen ausgerichtet. Bestehende Mobilitätsplaner und ähnliche Dienste werden zwar genutzt, erfüllen jedoch die Anforderungen von Menschen mit Angststörungen nur mangelhaft. Die Studie identifiziert drei zentrale Bereiche, in denen Unterstützung verbessert und ausgebaut werden kann: die Erhöhung der Kontrolle über die Reisesituation, die Bereitstellung von Echtzeit-Informationen zur Reiseplanung vor und während der Fahrt sowie konversationsbasierte Kommunikationshilfen. Diese Tools könnten dazu beitragen, Stress und Unsicherheit zu reduzieren und die Mobilität für Personen mit Angststörungen insgesamt zu erleichtern.
Im Rahmen der Studie wurden zwölf qualitative, halbstrukturierte Interviews mit sieben Frauen und fünf Männern im Alter von 19 bis 59 Jahren durchgeführt. Die Teilnehmer*innen konnten zwischen einem persönlichen, telefonischen oder virtuellen Gespräch wählen, das jeweils 60 bis 80 Minuten dauerte. Zusätzlich fanden drei begleitete "Mobilitäts-Spaziergänge" statt, im Rahmen derer die Teilnehmenden auf ihrem Weg zur Arbeit oder nach Hause begleitet wurden. Ziel war es, persönliche Erfahrungen und Gefühle mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Wien besser zu verstehen.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass bestehende IKT-Tools hinsichtlich ihrer Nützlichkeit und Benutzerfreundlichkeit optimierungsbedürftig sind. Besonders technologisch unterstützte Kommunikationshilfen können die Mobilitätsentscheidungen vulnerabler Fahrgäste verbessern und ihnen vor sowie während der Fahrt ein Gefühl der Sicherheit geben. Menschliche Interaktionsmöglichkeiten bleiben jedoch unverzichtbar – nicht nur während der Fahrt, sondern auch bei der Bewältigung allgemeiner, mobilitätsbezogener Herausforderungen.
Um Mobilitätsgerechtigkeit für alle zu gewährleisten, müssen die Erfahrungen vulnerabler Fahrgäste in den Entwicklungsprozess einfließen. Nur durch partizipative Ansätze können bestehende Ungleichheiten im Mobilitätssystem reduziert werden. Dabei zeigt sich auch, dass die Abhängigkeit von Technologie neue Ungleichheiten schaffen kann – insbesondere für ältere, finanziell schwächere oder vulnerable Personen. Ein gerechtes Mobilitätssystem erfordert daher die aktive Einbeziehung und Mitgestaltung dieser Gruppen.
Studienautorin Gerit Götzenbrucker meint abschließend zu den Ergebnissen der Studie: "Überraschend für uns ist die Vielfalt an kommunikativen wie technischen Lösungen, die Angsterkrankte bei der Bewältigung ihrer Verkehrswege in der Stadt unterstützen können. Die Forschung dazu ist jedenfalls ausbaufähig und von großer gesellschaftlicher Relevanz, wie Reaktionen der Medien und der Fachöffentlichkeit zeigen. Im darauf aufbauenden Projekt "JuMp!" werden wir nunmehr gemeinsam mit Jugendlichen zu digital-kommunikativ unterstützter Mobilitätsgerechtigkeit forschen."
Zu den Autoren
Gerit Götzenbrucker ist assoziierte Professorin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.
Kai Daniel Preibisch war wissenschaftlicher Mitarbeiter (Praedoc) im Projekt Angstfrei mobil am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.
Michaela Griesbeck ist Lektorin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.