von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)
2018 dominierte die Enthüllung eines Datenskandals, verursacht durch Cambridge Analytica, die internationale Berichterstattung. Das britische Politikberatungsunternehmen hatte über Jahre die Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzer*innen analysiert, um psychologische Profile an Parteien zu verkaufen, die ihre politische Werbung auf Facebook schalteten. Nicht alle personalisierten Werbeansprachen fußen auf unethischen Praktiken wie jene von Cambridge Analytica. Jedoch bilden im digitalen Zeitalter die Daten der Nutzer*innen die Grundlage für politische Werbemaßnahmen (Targeting). Zielgruppenansprachen können dabei auf demografischen Daten (Alter, Geschlecht, Wohnort, usw.) oder auch Verhaltensdaten (Klicksprache, Themenpräferenzen, etc.) der Nutzer*innen basieren.
Forscher*innen der Universität Wien analysierten den Einfluss personalisierter politischer Anzeigen auf österreichische Bürger*innen. Für die Studie wurden im Dezember 2019 430 Teilnehmer*innen akquiriert, welche hinsichtlich ihrer Demografie die österreichische Bevölkerung abbildeten. Zu Beginn wurden die Teilnehmer*innen zu ihren Interessen und ihren Reaktionen auf Facebook-Beiträge von Familie und Freund*innen befragt. Anschließend wurden sie per Zufallsprinzip in drei Gruppen mit differierenden Zielgruppenansprachen eingeteilt: Gruppe 1 bekam Facebook-Postings ohne Targeting, Gruppe 2 erhielt Facebook-Postings, die in Anlehnung an ihre Demografie bzw. ihren Wohnort erstellt wurde, und Gruppe 3 rezipierte Postings, die neben den demographischen Daten auch auf ihren Interessen basierten. Die Teilnehmer*innen der letzten beiden Gruppen wurden darüber informiert, dass die Postingauswahl auf ihren Angaben in der Befragung vor der Exposition beruhten. Danach wurden den Teilnehmer*innen Werbebeiträge von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) bzw. den Grünen gezeigt. Für jeden Beitrag wurden die originalen Offenlegungssymbole und Informationsfenster (Disclosure) von Facebook verwendet, die den werblichen Charakter der Beiträge preisgaben. Mit ihrer Studie bezweckten die Forscher*innen, Antworten auf folgende zwei Fragen zu finden: Sind die Wähler*innen in der Lage, Targeting-Praktiken zu identifizieren und sich dagegen zu wehren? Oder akzeptieren sie die Werbestrategien, wenn sie von der von ihnen bevorzugten politischen Partei eingesetzt werden?
"Disclosures auf Social Media informieren darüber, auf Basis welcher Informationen User*innen Werbungen sehen", erläutert Studienautorin Alice Binder. Interessant sei aber, dass "diese Disclosure jedoch keine Wirkung auf das Persuasionswissen haben". Die Forscher*innen begründen diesen Befund damit, dass Social Media-User*innen entweder nicht genügend Kenntnisse über datengesteuerte Werbeansprachen besitzen, oder dass das von Facebook generierte Informationsfenster der Anzeige nicht ausreichend sei, um die Nutzer*innen über die Herkunft der Werbung aufzuklären. "Vielmehr spielt der Politische Fit, also die Übereinstimmung der eigenen politischen Haltung mit der jeweiligen Partei der angezeigten Werbung, eine wichtige Rolle" fährt Binder fort. "Ist dieser Fit hoch, wird die Werbung als weniger manipulativ und mehr personalisiert eingeschätzt, was zu einer besseren Bewertung der Partei führt. Wir schlussfolgern, dass User*innen ihre Abwehrmechanismen in Bezug auf zugeschnittene Werbung gegen eine bevorzugte Partei nicht aktivieren." Für die Werbeforschung ist dieser Befund sehr interessant, zumal die Parteipräferenz maßgebend dafür ist, ob die User*innen werbliche Zielgruppenansprachen akzeptieren oder ablehnen.
Publikationsdetails
Binder, A., Stubenvoll, M., Hirsch, M., & Matthes, J. (2022). Why am I getting this ad? How the degree of targeting disclosures and political fit affect persuasion knowledge, party evaluation, and online privacy behaviors. Journal of Advertising. Advance online publication. https://doi.org/10.1080/00913367.2021.2015727