Fließende Grenzen oder Abgrenzung? Im Gespräch mit Lifestyle-Journalist*innen über Instagram-Influencer*innen

12.09.2022

Es besteht eine deutliche Überschneidung in den Themen und Funktionen von Lifestyle-Journalist*innen und Influencer*innen. Fühlen sich Lifestyle-Journalist*innen in ihrer beruflichen Existenz dadurch bedroht?

von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)

In einer qualitativen Studie der Universität Wien und der Appalachian State University wurden 63 Lifestyle-Journalist*innen aus Österreich und den Vereinigten Staaten zum Thema Instagram und Influencer*innen befragt. Konkret wollten die Forschenden herausfinden, wie Journalist*innen zu dieser "Art von Bedrohung" stehen und wie sich ihr Beruf seit Präsenz der Mitbewerber*innen verändert hat, äußert Ko-Studienautor Folker Hanusch. Der Befragungszeitraum war von September 2020 bis Februar 2021 angesetzt. Die Interviewaufnahmen wurden transkribiert und ins Englische übersetzt, woraus sich für die Forschenden ein einheitliches textliches Analysematerial ergab. Jenes wurde in mehreren Stufen analysiert und untereinander verglichen, um mögliche Unterschiede sowie Überschneidungen in den Reaktionen von Lifestyle-Journalist*innen gegenüber Influencer*innen festzustellen.


Mit dem Aufstieg der bild- und videobasierten sozialen Plattform Instagram bildete sich ein neuer Berufszweig, dessen Akteur*innen als Influencer*innen bekannt sind. Jene dienen als Vorbilder für ihre Follower*innen und teilen mit ihnen Empfehlungen zu diversen Lifestyle-Produkten und Dienstleistungen. Was vielen dabei nicht bewusst sein mag, ist, dass herkömmliche Lifestyle-Journalist*innen durch diese "quasi-journalistischen Mitbewerber*innen" – die sich mit ähnlichen Themen befassen – stark unter Druck geraten. So werden beispielweise oft "einflussreiche Influencer*innen bei Fashion Shows vorgezogen, da sich Unternehmen von ihnen eine weniger kritische Berichterstattung erhoffen", erläutert Ko-Studienautor Folker Hanusch.

Die vorliegende Studie untersuchte in diesem Zusammenhang, inwiefern sich die Präsenz von Instagram-Influencer*innen auf den Beruf von Lifestyle-Journalist*innen auswirkt. Für die Studie wurden durch ein gezieltes Stichprobenverfahren 63 Journalist*innen aus Österreich und den Vereinigten Staaten rekrutiert und dazu im Detail befragt. Die Interviews wurden zwischen September 2020 und Februar 2021 abgehalten, transkribiert und in mehrstufigen Verfahren analysiert, mit dem Ziel, mögliche Unterschiede bzw. Vergleiche in den Erfahrungen der Journalist*innen im Zusammenwirken mit Instagram-Influencer*innen zu identifizieren. Wie äußert sich nun das Dasein von Influencer*innen im beruflichen Alltag von Lifestyle-Journalist*innen?

Die "goldenen Jahre" des Reisejournalismus sind mit dem Zufluss an Reise-Influencer*innen abgelaufen

Viele Lifestyle-Journalist*innen erkennen die Arbeit von Influencer*innen teilweise als journalistische Praktik an, da sie ihr Publikum zu bestimmten Themen, u.a. in Form von Artikeln, informieren. Einerseits birgt dies die Gefahr, dass sie die Rolle von Journalist*innen einnehmen, gleichzeitig spornt dieser Konkurrenzkampf die Journalist*innen an, ihre Tätigkeit noch besser als ihre Kontrahent*innen auszuüben. Die parallele Existenz beider Berufsgruppen sorgt zweifellos für Spannungen, wie die Befragten berichten. Der Wandel macht sich insbesondere im Reise-Journalismus bemerkbar; so war es früher nicht unüblich, dass Reisejournalist*innen mit Recherchereisen "verwöhnt" wurden. Mit dem Zufluss an Instagram-Influencer*innen stocken jedoch solche Aufträge sowie die Finanzierung.

Journalist*innen heben sich besonders durch kritische Berichterstattung ab

Auch wenn Influencer*innen in das journalistische Feld vorgedrungen sind, versuchen sich Lifestyle-Journalist*innen nach wie vor von ihnen abzugrenzen, indem sie sich auf traditionelle Prinzipien des Journalismus wie "Neutralität" oder "Unabhängigkeit" berufen. Die Forschenden sehen diese Rechtfertigung kritisch, da der Lifestyle-Journalismus auch von. kommerziellen Interessen beeinflusst wird. Die Befragten äußerten, dass sie im Gegensatz zu Influencer*innen eine kritische Berichterstattung – besonders durch elaborierte Recherchen und Hinterfragen – betreiben würden. Ihre Kontrahent*innen wären – ihrer Ansicht nach – primär monetär motiviert und würden lediglich jene Produkte anpreisen, für die sie auch bezahlt werden.

Im weiteren Verlauf wurde erfragt, anhand welcher beruflichen Eigenschaften Journalist*innen sich von Influencer*innen abgrenzen würden. In den Interviews kristallisierten sich dabei die Konzepte der Publikumsnähe und des Grades der Professionionalität heraus. So argumentierten die Befragten, dass Lifestyle-Journalist*innen ein großes allgemeines Publikum besäßen, zu dem sie Distanz wahren würden. Instagram-Influencer*innen würden ihre Inhalte hingegen eher für ein Nischenpublikum jüngeren Alters auslegen, zu dem sie aufgrund der persönlichen Selbstinszenierung über eine engere Verbindung verfügen. Zusätzlich sehen sich die Journalist*innen als professionelle Akteur*innen der Informationsvermittlung, wodurch sie sich ebenfalls von den Influencer*innen abheben würden.

Die Befragten ziehen eine klare Linie zwischen Lifestyle-Journalist*innen und Influencer*innen

Zusammengefasst erkennen Lifestyle-Journalist*innen einen Teil der Tätigkeit von Instagram-Influencer*innen als journalistische Praktik(en) an. Trotzdem ist es ihnen wichtig, sich aufgrund der dargelegten Unterschiede von ihnen abzugrenzen und jene (Influencer*innen) am Rand des journalistischen Feldes einzuordnen. "Das ist dahingehend interessant, als dass Lifestyle-Journalist*innen von beispielsweise politischen Journalist*innen traditionell selbst eher am Rand des Journalismus gesehen wurden. Somit ergab sich für die Lifestyle-Journalist*innen eine Möglichkeit, sich stärker zum Kern des Journalismus zugehörig zu fühlen, und dies auch zu argumentieren", resümiert Hanusch abschließend.

Publikationsdetails

Perreault, G., & Hanusch, F. (2022). Field insurgency in lifestyle journalism: How lifestyle journalists marginalize Instagram influencers and protect their autonomy. Advance online publication. New Media & Society. doi:10.1177/14614448221104233 (Image © Yan Krukov)

Gregory Perreault ist Associate Professor of Journalism im Department of Communication der Appalachian State University, USA. (Image © Gregory Perreault)

 

Folker Hanusch ist Professor für Journalismus am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. (Image © Folker Hanusch)