Einflussreiche Lebensmittelbotschaften in Kinderfilmen und -serien: Wie Eltern die Effekte beeinflussen können

29.06.2023

In audiovisuellen Medienproduktionen für Kinder werden oftmals ungesunde Lebensmittel abgebildet, die Kinder dazu verleiten können, starke Lebensmittelkaufwünsche zu entwickeln oder ungesunde Lebensmittel verzehren zu wollen. Wie der Medienkonsum und die Eltern-Kind-Kommunikation mit diesem Effekt zusammenhängen, darüber klärt die vorliegende Studie auf.

von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)

In einer zweiwelligen Panelstudie mit 529 Kindern (zwischen sechs und elf Jahren) sowie einem Elternteil (529 Personen) wurde der Einfluss von Kindermedien auf medienmotivierte Lebensmittelkaufwünsche bei Kindern untersucht. Im Abstand von sechs Monaten wurden zwei Befragungsrunden mit den Teilnehmenden durchgeführt. Ermittelt wurden die Faktoren Dauer des Medienkonsums, Alter, BMI der Kinder sowie der Kommunikationsstil der Eltern im Umgang mit Lebensmitteldarstellungen in Kinderfilmen und -serien. Die Antworten der Kinder wurden mit dem Fragebogenmaterial der Eltern abgeglichen und entsprechend ausgewertet.


Ein Blick in Kinderserien und -filme verrät, dass häufig Speisen und Nahrungsmittel mit hohem Fett-, Salz- und/oder Zuckergehalt abgebildet werden. Diese Platzierungen sind kein Zufall, sondern Teil von Marketingstrategien, um die Konsumkraft von Kindern zu mobilisieren. Nicht verwunderlich ist daher, dass das junge Publikum, inspiriert durch den eigenen Medienkonsum, Lebensmittelkaufwünsche gegenüber den eigenen Eltern äußert. Beim sogenannten "Pestering" versuchen Kinder ihre Eltern wiederholt davon zu überzeugen, spezifische Produkte zu kaufen, die sie im Fernsehen gesehen haben.

Durch die Darstellung ungesunder Lebensmittel in Medienformaten konnte in früheren Studien bereits ein Einfluss auf medienmotivierte Lebensmittelkaufwünsche sowie auf ungesunde Ernährung bei Kindern nachgewiesen werden. Hingegen ist wenig über die Faktoren bekannt, die im Zusammenhang mit medienmotivierten Lebensmittelkaufwünschen von Kindern stehen und wie diese Wünsche konkret minimiert werden können.

Kinder und ihre Eltern beteiligten sich an der Studie

Die Kommunikationswissenschaftler*innen Alice Binder und Jörg Matthes von der Universität Wien befragten in einer zweiwelligen Panelstudie Kinder im Alter zwischen sechs und elf Jahren (N = 529) sowie jeweils einen Elternteil (N = 529) zu zwei Zeitpunkten; zwischen den Abfragen lag ein Zeitraum von sechs Monaten. Ziel war es, die Entwicklung der medienmotivierten Lebensmittelkaufwünsche anhand der Faktoren Medienkonsumdauer, Alter, BMI (Body Mass Index: formell zur Bewertung des Körpergewichts) und dem restriktiven bzw. gesprächsorientierten Kommunikationsstil der Eltern über in Medien dargestellte Lebensmittel über die Zeit zu erforschen und nachzuvollziehen.

Die Teilnehmenden wurden aus zwölf österreichischen Volksschulen – mit dem Einverständnis ihrer Eltern – ausgewählt, und zu beiden Befragungsrunden (März bis Mai und September bis November 2019) nach ihrem Medienkonsum (Serien und Filme) befragt; außerdem wurden nach der Befragung ihr Alter und ihr BMI-Wert erhoben. Die teilnehmenden Eltern füllten zu beiden Zeitpunkten einen Fragebogen mit Fragen zum Medienkonsum ihrer Kinder aus und erläuterten darin, wie oft und auf welche Weise sie mit ihren Kindern über in den Medien dargestellte Lebensmittel reden würden.

Ein hoher Medienkonsum erzeugt nicht automatisch medienmotivierte Lebensmittelkaufwünsche bei Kindern

"Unsere Studie zeigt, dass die Häufigkeit, mit der Kinder nach Lebensmitteln fragen, die sie in audiovisuellen Medien gesehen haben, nicht mit dem Ausmaß der Nutzung zusammenhängt", erläutert Studienautorin Alice Binder. Die Studienautor*innen spekulieren, dass weniger die Dauer, sondern mehr die Art des Medienkonsums ausschlaggebend für die Auswirkungen auf medienmotivierte Lebensmittelkaufwünsche sein muss. Welche Arten von Medien Kinder nutzen (und wie sich dies auf den jeweiligen Kaufwunsch auswirkt), sei deswegen die Aufgabe zukünftiger Forschung.

Alter und BMI auf dem Prüfstand

Legten die Forschenden die Daten der beiden Erhebungszeiträume übereinander, so zeigte sich, dass mit zunehmenden Alter die medienmotivierten Lebensmittelkaufwünsche der Kinder sanken. Je jünger die Kinder sind, desto anfälliger scheinen sie für Lebensmittelbotschaften zu sein. Der BMI-Wert erwies sich als positiver Prädiktor für medienmotivierte Lebensmittelkaufwünsche (d.h. ein höherer BMI war mit mehr medienmotivierten Lebensmittelkaufwünschen verbunden).

Kommunikationsstil der Eltern sowohl für als auch gegen "Pestering" entscheidend

"Gewisse Kommunikationstile können aber zu einem 'Pestering' nach diesen Lebensmitteln führen", warnt Binder. "Überraschenderweise zeigte die Studie, dass, wenn Eltern auf die Lebensmittel hinweisen oder gar darüber sprechen [d.h. eine gesprächsorientierte Kommunikation über in den Medien dargestellte Lebensmittel führen], dies zu mehr Pestering führen kann", führt sie fort. Der Versuch, Kinder auf medial-vermittelte Lebensmittelbotschaften aufmerksam zu machen oder aufzuklären, ist den Ergebnissen zufolge unzureichend, um Kinder vor dem Pestering-Effekt abzuschirmen.

Schließlich hält Binder fest, dass "ein Verbot gewisser Medieninhalte zu weniger Pestering beitragen kann". Die beiden Autor*innen erklären, dass die Überzeugungskraft von Lebensmittelbotschaften in audiovisuellen Medien extrem hoch sei und elterliche Restriktionen dazu beitragen können, die Auswirkungen der Exposition gegenüber ungesunden Lebensmitteln in den Medien zu verringern, obwohl sie dabei vielleicht nicht in der Lage sind, die Verarbeitung und das Verständnis der Kinder zu verbessern.


Die Schulleiter*innen der Schulen und die Ethikkommission der Universität Wien genehmigten diese Studie. Von jedem Kind wurde die mündliche Zustimmung zur Teilnahme an der Studie sowie die schriftliche Zustimmung der Eltern eingeholt.

Publikationsdetails

Binder, A., & Matthes, J. (2023). What can stop the "pester power"? A longitudinal study on the impact of children's audiovisual media consumption on media-motivated food purchase requests. Pediatric Obesity, 18(6), e13018. doi:10.1111/ijpo.13018

Alice Binder ist Senior Scientist am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

 

Jörg Matthes ist Professor für Werbeforschung und stellvertretender Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.