von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)
In einer sequenziellen Mehrmethodenstudie haben Kommunikationswissen-schaftlerinnen der Universitäten Wien, Erfurt und München untersucht, welche Faktoren Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland dazu bewegen, sich freiwillig an Corona-Schutzmaßnahmen zu halten. Ende 2020 teilten in einem digitalen, teilstandardisierten Fragebogen 88 Teilnehmer*innen zwischen 14-29 Jahren ihre Haltung und ihre Gefühle zu diversen Corona-Maßnahmen (Masken tragen; Social Distancing; usw.) mit. Darauf aufbauend wurden ca. 1.000 Personen (ebenfalls im Alter von 14-29 Jahren) über eine Online-Befragung zu konkreten Einflussfaktoren und Bedingungen für ihre Compliance befragt. "Die Ergebnisse liefern spannende Impulse für die Gestaltung von zukünftigen Kampagneninhalten, die Jugendliche und junge Erwachsene in den Fokus rücken", so Studienkoautorin Anne Reinhardt.
Aufgrund der hohen Impfquote und der gesunkenen Hospitalisierungsrate gibt es heute kaum mehr Covid-19-Beschränkungen; um der Verbreitung des Virus weiterhin entgegenzuwirken, appellieren Gesundheitskampagnen an Bürger*innen, sich freiwillig an Maßnahmen zu halten, zu denen u.a. das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes oder Social Distancing zählen. Studien zeigen, dass unter anderem auch Jugendliche und junge Erwachsene dazu tendieren, sich nicht an jene Empfehlungen zu halten. Einerseits, da sie ein geringeres Risiko haben, einen schweren Verlauf zu erleiden, andererseits, weil sie für ihr psychisches Wohlergehen den Kontakt zu ihrem sozialen Umfeld nicht reduzieren möchten. Dennoch ist die freiwillige Einhaltung von Schutzmaßnahmen – die sogenannte Compliance – für die Bewältigung der Pandemie unerlässlich.
"Jugendliche und junge Erwachsene sind eine wichtige Zielgruppe in der Corona-Kommunikation",
erklärt Kommunikationswissenschaftlerin Anne Reinhardt. "Kommunikative Maßnahmen in diesem Kontext vertrauen jedoch nicht selten auf generische Botschaften, die den allgemeinen Schutz der Bevölkerung betonen. Ihr größtes Potential entfalten Gesundheitskampagnen aber nur dann, wenn sie die Bedürfnisse und Merkmale der jeweiligen Zielgruppe in den Fokus rücken, statt einem simplen Gießkannenprinzip zu folgen", führt sie weiter fort. In einer Mehrmethodenstudie haben Anne Reinhardt von der Universität Wien und Kolleginnen der Universitäten Erfurt und München Einflussfaktoren erforscht, welche sich begünstigend bzw. hemmend auf das Corona-Schutzverhalten junger Menschen auswirken.
In einer teilstandardisierten Vorstudie Anfang Dezember 2020 teilten 88 Teilnehmer*innen ihre Einstellung gegenüber diversen Corona-Maßnahmen mit. Manche fühlten sich wie "zuhause eingesperrt", andere schätzten es dagegen, mehr Zeit für sich zu haben. Sie erkannten dennoch die Notwendigkeit der Maßnahmen, um sich und andere zu schützen. Einheitliche strenge Regulierungen sowie die Verfügbarkeit von Homeoffice und digitaler Austauschmöglichkeiten erleichterten nach eigener Auffassung ihre Compliance, während eine stressige Wohnsituation (etwa Homeoffice neben Kinderbetreuung) regelkonformes Verhalten erschwerte. Die Ergebnisse der ersten Befragung stellten die Weichen für eine zweite Online-Befragung mit knapp 1.000 Teilnehmer*innen Ende Dezember 2020, welche konkret den Einfluss der ermittelten Faktoren auf die Compliance untersuchte.
Welche Faktoren spielen für die Bereitschaft zur freiwilligen Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen eine Rolle?
"Wir konnten zeigen, dass Wissen und instrumentelle Einstellungen die größten Verhaltenshebel darstellen", so Reinhardt. Je mehr Jugendliche und junge Erwachsene über die Pandemie und die entsprechenden Schutzmaßnahmen wussten, je schwerer sie die gesundheitlichen Konsequenzen einer Infektion einschätzten und je positiver sie die Bedeutung der Schutzmaßnahmen einstuften, desto stärker wollten sie sich auch zukünftig an den Verhaltensempfehlungen orientieren. "Besonders spannend fanden wir, dass der Schutz von vulnerablen Gruppen zwar als wichtig eingestuft wurde, dieser Punkt aber die Einstellung nicht maßgeblich geprägt hat. Für junge Menschen scheint es von weitaus größerer Bedeutung zu sein, durch das Einhalten der Maßnahmen ihre eigene Gesundheit zu schützen und als Vorbild für andere zu fungieren", erläutert Reinhardt.
Handlungsempfehlungen für Kommunikator*innen: Zielgruppenfreundliche Tipps bei der inhaltlichen Gestaltung von Gesundheitskampagnen
Die Studienautorinnen betonen die Bedeutsamkeit theorie- und evidenzbasierter Grundlagen im Zuge der Entwicklung von Kommunikationsstrategien. Es sei wichtig, Gedanken, Gefühle und Eigenheiten der adressierten Zielgruppe zu beachten, um das gewünschte Verhalten zu fördern. Einerseits empfehlen sie Kampagnenbotschaften, welche auf das Risiko einer Infektion aufmerksam machen (z.B. Furchtappelle, Long Covid-Folgen). Gleichzeitig sollte aber auch stets mitvermittelt werden, dass der Schutz vor diesen Folgen durch einfach umzusetzende Verhaltensweisen vergrößert werden kann. Darüber hinaus erscheinen Botschaften erfolgsversprechend, die den Aspekt der sozialen Selbstdarstellung ansprechen, d.h., dass Jugendliche und junge Erwachsene ein Vorbild für andere sein und sie ihrem Umfeld zeigen können, dass sie die Pandemie ernst nehmen. Alles in allem empfehlen die Autorinnen, Sachinformationen zur Wissenssteigerung mit Risikobotschaften, positiven Handlungsempfehlungen und sozialen Appellen zu kombinieren, um die Risikowahrnehmung zu erhöhen und parallel dazu die Selbstwirksamkeit der Zielgruppe zu stärken.