Effekte der Terrorismus-Berichterstattung auf Einstellungen und Stereotypen gegenüber Muslimen

19.12.2024

In einer aktuellen Studie an der Universität Wien untersuchen die Kommunikationswissenschaftler*innen Ruta Kaskeleviciute, Helena Knupfer und Jörg Matthes, wie die Terrorismus-Berichterstattung Stereotypen und Einstellungen gegenüber der muslimischen Bevölkerung beeinflusst. Eine Unterscheidung zwischen Terroristen und Muslimen in der Berichterstattung kann die negativen Auswirkungen von Terrorismusnachrichten abmildern, so die Ergebnisse der Studie.


von Alina Vianne Barr (✉ alina.vianne.barr@univie.ac.at)

Nachrichten tendieren dazu, islamische Terroristen mit der muslimischen Allgemeinbevölkerung gleichzusetzen, da Terroristen im Namen des Islam handeln. Berichterstattung über Terrorismus hat großen Einfluss auf Einstellungen gegenüber Muslimen. Aber wie beeinflussen verschiedene Arten von Berichterstattungen diese Einstellungen und Stereotypen?

Die Autor*innen argumentieren, dass unterschiedliche Darstellungen der Täter in den Medien verschiedene psychologische Prozesse auslösen. Hierbei wird zwischen Insider-Terroristen (Staatsbürger des Landes, der Polizei unbekannt und schwer identifizierbar) und Outsider-Terroristen (meist erst kürzlich erst im Land angekommen, keine Staatsbürger, von der Polizei beobachtet) unterschieden. Die Sorge bei solcher Berichterstattung ist, dass Vorurteile verstärkt werden, vor allem im Zuge einer zunehmend polarisierten Öffentlichkeit.

In der Studie wird untersucht, wie Berichterstattung über Insider- im Vergleich zu Outsider-Terroristen Einstellungen und Stereotype über Muslime beeinflusst. Die Hauptannahme ist, dass differenzierte Berichterstattung im Gegensatz zu undifferenzierter Berichterstattung dazu beitragen kann, das Gefühl von Diskriminierung und Stereotypisierung bei Muslimen zu verringern. Differenzierte Berichterstattung unterscheidet explizit zwischen Muslimen und Terroristen. Zudem wird vermutet, dass eine stärkere Einstellungsdifferenzierung – also die innere, unbewusste Unterscheidung von Gruppen – Stereotype gegenüber Muslimen abbauen kann. Der Fokus liegt also auf der Untersuchung unbewussten sozialen Verhaltens und impliziter Einstellungen. Die Ergebnisse zeigen, dass differenzierte Berichterstattung die Vermischung und Gleichsetzung von Muslimen und islamistischen Terroristen reduziert, indem mentale Assoziationen zwischen beiden Gruppen abgeschwächt werden.

Es gibt keinen Beleg dafür, dass Einstellungsdifferenzierung negative unbewusste Einstellungen gegenüber Muslimen beeinflusst. Die Wirkung von Terrorismusnachrichten kann jedoch von den Eigenschaften des Täters abhängen (Insider vs. Outsider). Kontakt zu Nachrichten über Insider-Terroristen führte nicht zu negativeren unbewussten Einstellungen, als der zu Outsider-Terroristen. Stereotypen scheinen also unabhängig von Tätermerkmalen zu sein. Negative Stereotypen gegenüber Muslimen waren am stärksten bei differenzierter Berichterstattung über Outsider-Terroristen vorhanden. Die Studie beleuchtet, dass eine differenzierte Berichterstattung ein wichtiges Instrument ist, um Stereotypisierung von muslimischen Menschen zu vermeiden, und dass hierbei die Darstellung der Täter eine zentrale Rolle spielt. Studienautor Jörg Matthes meint abschließend dazu, dass es "gerade in Zeiten zunehmender Polarisierung wichtig ist, andere Menschen, Gruppen oder politische Lager nicht pauschal negativ zu beurteilen. Die Studie unterstreicht die Relevanz von Differenzierung in der journalistischen Berichterstattung, anstatt alle über einen Kamm zu scheren."

Publikationsdetails

Kaskeleviciute, R., Knupfer, H., & Matthes, J. (2024). Inconspicuous terrorists? Effects of terrorism news on attitudes and stereotypes about Muslims. Journalism & Mass Communication Quarterly. Advance online publication. doi:10.1177/10776990241271111

Ruta Kaskeleviciute ist seit 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin (seit 2024 Postdoc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.

 

Helena Knupfer war von 2017-2024 als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Studienassistentin und Praedoc) am Institut tätig und hat ihre Dissertation im Oktober 2024 erfolgreich mit Auszeichnung verteidigt.

 

Jörg Matthes ist Professor für Kommunikationswissenschaft und stellvertretender Vorstand des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien.