"Dazugehören ist alles" – Die vereinende Kraft von Kommunikation am Arbeitsplatz

10.11.2021

Formelle Kommunikationsmaßnahmen seitens der Führungsebene sind entscheidend, um Integration am Arbeitsplatz zu gewährleisten.

von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)

"Wir haben zum ersten Mal eine farbige Frau eingestellt, und das hat den anderen Mitarbeiter*innen gar nicht gefallen. Sie sagten stets, dass sie nicht zu unserem Unternehmen passen würde." Berichte wie dieser klingen wie aus einer anderen Zeit, in der Rassismus, Sexismus und Ungleichstellung den Alltag bestimmten. Eine aktuelle Studie der Universität Wien zeigt jedoch, dass sich Arbeitnehmer*innen mit sichtbaren (Geschlecht, Alter, Herkunft) oder nicht sichtbaren (Bildungsgrad, sexuelle Orientierung, Religion) Diversitätsmerkmalen am Arbeitsplatz immer noch nicht vollkommen integriert fühlen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen Daniel Wolfgruber, Lina Stürmer und Sabine Einwiller untersuchten mittels qualitativer Tiefeninterviews, welche Kommunikationsformen die Entwicklung eines integrativen Arbeitsumfelds ermöglichen, insbesondere in Bezug auf die Themen Gleichstellung, Diversität und Inklusion, und welche kommunikativen Ansprüche Arbeitnehmer*innen gegenüber ihren Arbeitgeber*innen erheben.

An der Studie beteiligten sich 84 österreichische und deutsche Arbeitnehmer*innen im Alter zwischen 19 und 62 Jahren mit divergenten Diversitätsmerkmalen. Die Interviews wurden im Mai und Juni 2020 durchgeführt.

Über die Hälfte der Studienteilnehmer*innen äußerten, dass sie sich in ihrem Arbeitsumfeld vollkommen integriert fühlen und keinen Bedarf an integrativen Kommunikationsmaßnahmen haben. Dies zeigt sich beispielhaft in folgenden Aussagen: „Ja, eine geschlechtergerechte Sprache wird nicht verwendet, weil sie einfach zu mühsam zu lesen wäre“ und „ich habe noch nie gehört, dass jemand unglücklich war, nur weil wir keine Transsexuellen am Arbeitsplatz haben. Unsere Stärke ist internationale Vielfalt. Wir haben keine anderen [Diversitäts-]Aspekte. Man sieht sie nicht an der Oberfläche, es wird nicht darüber gesprochen, und niemand sollte sich dafür interessieren.“ Die Personen, die sich keine Änderung in der Kommunikation am Arbeitsplatz wünschten und sich integriert fühlten, waren hauptsächlich Personen mit keinen oder nur wenigen Diversitätsmerkmalen, also primär weiße Männer und Frauen.

Arbeitnehmer*innen mit mehreren Diversitätsmerkmalen nahmen das Arbeitsklima jedoch ganz anders wahr, da sie sich mit ausgrenzender Kommunikation und Marginalisierung am Arbeitsplatz konfrontiert sahen. Sie berichteten von unfairen Beförderungspraktiken zwischen Geschlechtern und ausschließender informeller/interpersoneller Kommunikation, beispielsweise durch Cliquenbildungen. Um das Gefühl der Einbeziehung und Zugehörigkeit zu vermitteln und die Entwicklung eines integrativen Arbeitsumfeldes zu gewährleisten, müssten Unternehmen daher nicht nur die Praktizierung von fairen Einstellungs- und Beförderungspraktiken umsetzen, sondern zusätzlich die Themen "Gleichstellung, Diversität und Inklusion" stärker kommunizieren. Die Befragten wünschten sich vermehrt offizielle und formelle Kommunikation zu den Themen durch die Chefetage, beispielsweise in Form von "formeller zwischenmenschlicher (und hybrider) Kommunikation in offiziellen Sitzungen", im Austausch mit Führungskräften oder im Rahmen "von Schulungen und Veranstaltungen zum Thema Vielfalt".

Studienautor Daniel Wolfgruber kommentiert den Erkenntnisgewinn über kommunikative Integrationsmaßnahmen am Arbeitsplatz wie folgt: "Unsere Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, wie wichtig die interpersonelle Kommunikation über Gleichstellung, Diversität und Inklusion im formellen Kontext ist, um ein Gefühl der Inklusion zu erzeugen. Von Town-Hall- (Q&A's mit Führungskräften) über Teammeetings bis hin zu Jahresgesprächen und internen Events: Die direkte Interaktion in einem offiziellen Rahmen ist alles in allem wichtiger für die kommunikative Erzeugung eines inklusiven Arbeitsklimas als medienvermittelte Kommunikation zu Gleichstellungs-, Diversitäts- und Inklusions-Themen oder die Interaktion im informellen Kontext. Diese Erkenntnis halten wir für äußerst relevant, da die Kraft der Kommunikation sowohl von Praktiker*innen als auch von Wissenschaftler*innen, die im Feld forschen, oftmals unterschätzt wird."


Publikationsdetails

Wolfgruber, D., Stürmer, L., & Einwiller, S. (2021). Talking inclusion into being: Communication as a facilitator and obstructor of an inclusive work environment. Personnel Review. Advance online publication. doi:10.1108/PR-01-2021-0013

In der vorliegenden qualitativen Studie wurden 84 österreichische und deutsche Arbeitnehmer*innen zwischen Mai und Juni 2020 zu ihrem Inklusionsempfinden an ihrem Arbeitsplatz befragt. Anhand von semistrukturierten Interviews intendierten die Forscher*innen zu ermitteln, welche Kommunikationsformen das Zugehörigkeitsgefühl der Teilnehmenden stärken bzw. schwächen, welche Erwartungen die Arbeitnehmer*innen gegenüber ihren Arbeitgeber*innen haben, um ein integrationsfreundliches Arbeitsumfeld zu schaffen und inwieweit dabei Diversity Merkmale eine Rolle spielen. Konkret ging es um die Kommunikation der Themen "Gleichstellung, Diversity und Inklusion". (Image © Fauxels)

Daniel Wolfgruber ist Universitätsassistent (Praedoc) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien, sowie Teil der CCOM Research Group, geleitet von Professor Sabine Einwiller. Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen der strategischen Diversity Kommunikation, kommunikativen Konstitution ethischer Organisationskulturen und organisationaler Wertekommunikation. (Image © Daniel Wolfgruber)

Lina Stürmer ist Studien- und Forschungsassistentin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Sie hat 2021 den Master an unserem Institut abgeschlossen. Zuvor hat sie an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg ihren Bachelor in Sozialökonomik absolviert. (Image © Lina Stürmer)

Sabine Einwiller ist Professorin für Public Relations Forschung und Leiterin der Corporate Communication Research Group (CCOM) am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen integriertes Kommunikationsmanagement, Unternehmensreputation, Unternehmenskommunikation in Krisen und Beschwerdemanagement, Mitarbeiterkommunikation sowie CSR-Berichterstattung. (Image © Sabine Einwiller)