von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)
Persönliche Daten teilen oder nicht teilen? Welche Informationen sie im Netz preisgeben, können Nutzerinnen und Nutzer selbst entscheiden. Interessanterweise teilen sie oftmals persönliche Informationen, obwohl sie sich gleichzeitig Sorgen um ihre Privatsphäre machen. Dieses antithetische Verhalten nennt sich das Privacy Paradox. Die Studie "A longitudinal analysis of the privacy paradox" entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen Tobias Dienlin von der Universität Wien, Philipp Masur (Vrije Universiteit Amsterdam) und Sabine Trepte (Universität Hohenheim), welche die Einstellung zu Privatsphäre und das tatsächliche Teilverhalten ihrer Stichprobe erforscht.
Umgesetzt wurde die Längsschnittstudie zwischen Mai 2014 und Mai 2015. Im Rahmen der Umfrage beteiligten sich insgesamt 1.403 deutsche Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die repräsentativ für die deutsche Bevölkerung stehen. Diese wurden dreimal – im sechsmonatigen Abstand – zu den Themen Privatsphäre und ihrem Teilverhalten befragt, mit dem Ziel, vier übergeordnete Forschungsfragen zu beantworten. Erstens: Im zwischenmenschlichen Vergleich, wie hängt die Sorge um Privatsphäre mit der digitalen Verbreitung von persönlichen Informationen zusammen? Zweitens: Fällt die Verbreitung von Informationen geringer als gewöhnlich aus, wenn die Bedenken größer als gewöhnlich sind? Drittens: Welche sind die möglichen langfristigen Auswirkungen? Nimmt die Sorge ab, je mehr Informationen geteilt werden oder verhält es sich umgekehrt? Und viertens, welche Rolle spielt generell die Einstellung zum Datenschutz?
Grundsätzlich konnte ermittelt werden, dass Personen, die sich im Durchschnitt aller drei Wellen mehr Sorgen um ihre Privatsphäre machen als andere, deutlich eher zur einer negativen Einstellung gegenüber der Online-Verbreitung persönlicher Daten neigen und zusätzlich auch weniger teilen. Menschen, die sich größere Sorgen um ihre Privatsphäre machen als gewöhnlich, teilen in der Regel auch weniger als sonst. Im Kontrast dazu gibt es Personen, die mit ihrer positiven Einstellung zum Teilen persönlicher Informationen auch eine höhere Teilbereitschaft aufweisen.
Langfristige Effekte konnten schließlich nicht festgestellt werden – weder, ob eine Veränderung in der Besorgnis um Privatsphäre die Einstellung zur Online-Verbreitung persönlicher Informationen beeinflusst, noch, ob Veränderungen in der Einstellung gegenüber der Online-Verbreitung persönlicher Daten die Sorgen bezüglich der Privatsphäre sechs Monate später beeinflussen. Ob sich das Teilverhalten langfristig auf die Einstellung zum Teilen persönlicher Informationen auswirkt, konnte ebenfalls nicht nachgewiesen werden. Angesichts der Befundlage konnte das Phänomen des Privacy Paradoxes, also die Theorie, dass obwohl Menschen große Sorge um ihre Privatheit haben, sie aber dennoch viele Daten online teilen, nicht bestätigt bzw. nachgewiesen werden. "Im Gegenteil, Menschen, die sich mehr um ihre Privatheit sorgten, teilten durchaus weniger Informationen. Und wenn wir noch etwas spezifischer nach den konkreten Einstellungen fragten, dann fanden wir sogar starke Zusammenhänge" so Studienautor Tobias Dienlin. Seine Schlussfolgerung lautet, dass das Online-Verhalten also durchaus im Einklang mit den Einstellungen der Nutzerinnen und Nutzer zu seien scheint.
Publikationsdetails
Dienlin, T., Masur, P. K., & Trepte, S. (2021). A longitudinal analysis of the privacy paradox. New Media & Society. Advance online publication. doi:10.1177/14614448211016316