Binge-Watching – Die Effekte von übermäßigem Medienkonsum auf unser Wohlbefinden

26.04.2022

Ein packender Serienmarathon sorgt bei vielen Zuschauer*innen für Entspannung. Gleichzeitig empfinden einige nach dem stundenlangen ferngucken Schuldgefühle.

von Adriana Sofia Palloks (✉ adriana.palloks@univie.ac.at)

Wer kennt es nicht: Eine Serie ist so fesselnd, dass man sie in einem Stück zu Ende sehen muss? Dieses Phänomen nennt sich Binge-Watching, also wenn Personen über einen längeren Zeitraum ununterbrochen eine oder mehrere Serien rezipieren. Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime und Disney+ fördern durch ihre exorbitante Auswahl an Filmen und Serien den übermäßigen Medienkonsum. Doch wie wirkt sich diese zeitraubende Tätigkeit auf unser Wohlbefinden aus?

Eine neue Studie von Elena Erdmann und Tobias Dienlin untersuchte das Medienphänomen des Binge-Watchings. Dabei replizierten sie mit einigen Anpassungen eine ehemalige, renommierte Studie auf diesem Gebiet von Granow und Kollegen aus dem Jahr 2018, um die Auswirkungen von Binge-Watching näher zu beleuchten. Für die Studie wurden im Juni 2020 668 Teilnehmer*innen im Alter von 14 bis 67 Jahren auf digitalem Wege (hauptsächlich über die Plattform Facebook) rekrutiert. Mit einem digitalen Fragebogen, welcher sich auf die alte Studie stützte, wurden die Teilnehmer*innen darum gebeten, ihre Einschätzung und Empfindungen bezüglich Binge-Watching mitzuteilen. Dabei wurden sowohl positive (Kompetenz, Entspannung, Genuss) wie auch negative (Schuldgefühle, Kontrollverlust) Assoziationen abgefragt, die sie mit sogenannten Film- oder Serienmarathons verknüpften.

"Die Ergebnisse zeigen, dass Binge-Watching sowohl negative als auch positive Beziehungen zum Wohlbefinden hat", erklärt Studienautor Tobias Dienlin. "Das heißt, dass Binge-Watching mit Zielkonflikten, aber auch mit Erholungserlebnissen und Genuss verbunden war." Meist konkurriert Binge-Watching mit anderen wichtigen Aktivitäten und Tätigkeiten aus dem Alltag. Personen, die sich in so einer Konfliktsituation befinden, haben meist Schuldgefühle und empfinden weniger Freude am Serienmarathon. Auf der Gegenseite äußerten viele Teilnehmer*innen, dass Binge-Watching ihnen ein Gefühl der Autonomie verleiht und sie von ihrer Arbeit ablenkt, was schließlich auch für Entspannung und Genuss sorgt. "Überraschenderweise ist Binge-Watching auch sozial" führt Dienlin fort, "d.h. die Menschen praktizieren Binge-Watching, um ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen." Bezüglich des Versuchs, die Studie von Granow (et al. 2018) zu replizieren, resümiert er: "Was unser zweites Ziel betrifft, so konnten wir große Teile der von uns analysierten Studie reproduzieren, was zeigt, dass die Ergebnisse größtenteils robust sind. Einige Aspekte waren jedoch auch anders, was unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Forscher*innen frühere Studien kontinuierlich wiederholen und replizieren, um unser Verständnis relevanter Phänomene zu verbessern."


Publikationsdetails

Erdmann, E., & Dienlin, T. (2022). Binge-watching, self-determination, and well-being: A partially successful direct replication and extension of Granow et al. (2018). Journal of Media Psychology. Advance online publication. https://doi.org/10.1027/1864-1105/a000334

Free to access at OSF: https://osf.io/preprints/socarxiv/asfbz/

Replizierte Studie: Granow, V. C., Reinecke, L., & Ziegele, M. (2018). Binge-watching and psychological well-being: Media use between lack of control and perceived autonomy. Communication Research Reports, 35(5), 392-401. https://doi.org/10.1080/08824096.2018.1525347

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Binge-Watching äußert sich als übermäßiger Medienkonsum, bei dem Personen über ein längeres Zeitfenster eine Serie ohne Unterbrechung schauen. Die Forscher*innen untersuchten in diesem Zusammenhang den Effekt von Binge-Watching auf das Wohlbefinden von Rezipient*innen, indem sie eine renommierte Studie (Granow et al. 2018) replizierten und zusätzlich das Medienphänomen näher untersuchten. An der quantitativen Online-Studie partizipierten 668 Teilnehmer*innen im Alter von 14 bis 67 Jahren, die online (hauptsächlich über Facebook) im Juni 2020 akquiriert wurden. Etwa 50% von ihnen konsumierten laut eigenen Angaben täglich Serien. Der Online-Fragebogen wurde aus der Studie von Granow et al. mit geringfügigen Anpassungen übernommen. Die Teilnehmer*innen teilten bei jeder Frage mittels einer fünfstufigen Skala ihre Einschätzung und Empfindung bezüglich Binge-Watchings mit. (Image © David Balev)

Tobias Dienlin ist seit September 2020 am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft als Assistenzprofessor für Interaktive Kommunikation tätig. Zuvor arbeitete er an der Universität Hohenheim, wo er 2017 zum Thema "The Psychology of Privacy" promovierte. Von 2006 bis 2012 studierte Tobias Dienlin Psychologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. (Image © Tobias Dienlin)