von Michaela Forrai (✉ michaela.forrai@univie.ac.at)
In den vergangenen Jahren erhielten terroristische Attentate von Personen, die sich dem Islam zugehörig fühlen, ein besonders hohes Maß an medialer Aufmerksamkeit. Aber nicht nur das Ausmaß der Berichterstattung ist zentral für die gesellschaftliche Diskussion, sondern auch die Frage, wie berichtet wird. Entscheidend ist dabei, wie stark der Terror mit dem Islam im allgemeinen bzw. der Gemeinschaft aller Muslime in Verbindung gebracht wird. Differenzierte Berichterstattung trennt Angehörige des islamischen Glaubens deutlich von radikalem islamistischem Terrorismus, in undifferenzierter Berichterstattung wird jedoch beides gleichgesetzt. Ein Team um Jörg Matthes analysierte über 1000 Artikel aus zwölf Zeitungen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz und widmete sich der Frage, welche Artikelcharakteristiken häufig in Zusammenhang mit undifferenzierter oder differenzierter Berichterstattung stehen.
Überraschenderweise ergab die Untersuchung, dass sich das Maß an undifferenzierter sowie differenzierter Berichterstattung in Qualitäts- und Boulevardzeitungen nicht signifikant unterscheidet. Je größer die räumliche Nähe zum Land und je tödlicher der Anschlag, desto weniger wurde zwischen Terroristen und Muslimen im allgemeinen differenziert. Weiters spielt es eine zentrale Rolle, wer zu Wort kommt: Kommen Muslime und Muslimas zu Wort, wird der Islam seltener mit Terrorismus gleichgesetzt, es wird also stärker differenziert im Vergleich zu Akteuren, die nicht dem Islam zuzuordnen sind. Jörg Matthes, der Studienleiter, zieht folgende Schlussfolgerung: "Die Studie zeigt, dass es ganz zentral ist, welche Quellen von den Journalisten und Journalistinnen in der Berichterstattung über Terrorismus ausgewählt werden. Muslimas und Muslime haben hier eine wichtige Perspektive, wenn sie sich und den Islam klar vom Terrorismus abgrenzen."
Publikationsdetails
Matthes, J., Kaskeleviciute, R., Schmuck, D., von Sikorski, C., Klobasa, C., Knupfer, H., & Saumer, M. (2020). Who differentiates between Muslims and Islamist terrorists in terrorism news coverage? An actor-based approach. Journalism Studies, 21(15), 2135-2153. DOI:10.1080/1461670X.2020.1812422