Hugo Portisch studierte Geschichte, Germanistik, Anglistik und Zeitungswissenschaft an der Universität Wien und promovierte 1951 in Publizistik mit einer Doktorarbeit über "Das Zeitungswesen und die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten von Nordamerika vor und während des Bürgerkrieges 1861-1865" an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Ab 1958 war er Chefredakteur des "Kurier", 1967 wurde er Chefkommentator des ORF. Portischs ORF-Serien "Österreich I" und "Österreich II" zur Geschichte der 1. und 2. Republik, aber auch der NS-Zeit zwischen 1981 und 1995 stehen in enger Verbindung mit der universitären Zeitgeschichte.
Zum Ableben von Hugo Portisch (1927-2021)
Österreich hat seinen wohl größten Journalisten verloren. Eine Legende ist nicht mehr. Der Name Hugo Portisch wird eng mit der Geschichte der Zweiten Republik verbunden bleiben. Wie kaum ein anderer Journalist hat Portisch die politische Entwicklung in diesem Land kritisch begleitet und geprägt. Sein journalistisches Selbstverständnis war fest verankert in den Prinzipien des amerikanischen Journalismus, der sich seit je als unabhängige Kontrolle der Mächtigen, und nicht als Instrument der Macht versteht. 1950 hatte Portisch die Gelegenheit, in den USA diesen unabhängigen und kritischen Geist eines professionellen und demokratischen Journalismus hautnah bei der New York Times und der Washington Post zu studieren und zu erleben. 1951 promovierte Portisch an unserem Institut, das damals noch Zeitungswissenschaft hieß, mit einer Arbeit über das amerikanische Pressewesen. Dieser Geist der Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit, der kritischen Beobachtung, der unermüdlichen Wahrheitssuche und der selbstkritischen und professionellen journalistischen Sorgfalt ("Check, Re-Check und Double-Check") beflügelte und inspirierte Hugo Portisch sein gesamtes, so intensives und schaffensreiches journalistische Leben hindurch.
Als Chefredakteur des Kurier kämpfte er für die Entparteipolitisierung des ORF und initiierte das von zahlreichen anderen Printmedien mitgetragene legendäre Rundfunkvolksbegehren 1964. Mit dem Ende des Parteienproporzes im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde eine Entwicklung möglich, die unter dem Label "Informationsexplosion" den ORF zum reichweiten Leitmedium in der österreichischen Medienlandschaft aufstiegen ließ. Unter der Intendanz von Gerd Bacher, der Hugo Portisch vom Kurier holte, konnte Portisch in den 1960er und 1970er Jahren die gesamte Palette seiner journalistischen Fähigkeiten entfalten. Mit seinen außenpolitischen Reportagen, Beiträgen und Kommentaren aus der ganzen Welt sprengte er die oftmals provinzielle Enge heimischer Berichterstattung. Seine TV-Reihe "So sah ich…", die auch in Buchform erschien, führte ihn rund um den Globus. Portisch war dort vor Ort, wo Weltgeschichte passierte, wo sie gemacht oder verhandelt wurde. Er kommentierte 1968 vor den Barrikaden der Studentenrevolte in den Straßen von Paris und – nicht selten an einem einzigen Tag – von der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Sowjettruppen. Hugo Portisch war Kosmopolit, Weltbürger im besten Sinn des Wortes – ein wacher, neugieriger, wissbegieriger Mensch, der die Welt nicht nur sehen und bereisen, sondern der sie auch verstehen wollte und der von unbändiger Leidenschaft getrieben wurde, sie auch für ein breites Publikum verstehbar zu machen. Journalismus war für Hugo Portisch Mission – eine Mission im Dienste der Aufklärung. Für ihn war dies eine ethische und professionelle Verpflichtung, die sich auch darin äußerte, keine öffentlichen Ämter anzustreben. Auch nicht das ehrenwerte Amt eines Bundespräsidenten, das ihm nach der schmachvollen Präsidentschaft Kurt Waldheims 1992 parteienübergreifend angeboten wurde. Als Chefkommentator des ORF-Fernsehens hatten die Worte von Hugo Portisch öffentliches und politisches Gewicht. 1991 setzte er einen maßgeblichen Impuls, dass Österreichs Mitschuld an den Naziverbrechen – spät aber doch – auch von offizieller Stelle durch den damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky einbekannt wurde.
Portisch war nicht nur unermüdlicher Chronist des Weltgeschehens, das er wie kein zweiter zu kommentieren und begreifbar zu machen verstand, sondern er war es auch, der die Menschen in Österreich mit ihrer eigenen, wechselvollen und weithin verdrängten Geschichte konfrontierte. Die mehrteiligen Fernsehdokumentationen Österreich II und Österreich I, so wie 2005 die vierteilige Serie "Die Zweite Republik – Eine unglaubliche Geschichte" schrieben nicht nur Fernsehgeschichte, sondern legten das Fundament für eine – so notwendige – anamnetische Kultur in diesem Land. In Hugo Portischs Dokumentationen über die Erste und Zweite Republik ist – detailreich und umfassend recherchiert – das audiovisuelle Gedächtnis Österreichs aufbewahrt. Zu seinem 90. Geburtstag im Jahr 2017 ehrte ihn die Universität Wien mit der feierlichen Erneuerung seiner Doktorwürde, 2019 erhielt Portisch das Goldene Ehrenzeichen der Republik für sein Lebenswerk. Jetzt ist er im 95. Lebensjahr verstorben. An der nachkommenden Journalistengeneration liegt es, Portischs Verständnis von Qualitätsjournalismus zu leben und weiter zu tragen – allen Widerständen und Versuchungen sich zu arrangieren zum Trotz …
In einem seiner unzähligen Interviews sagte er einmal auf die Frage nach dem Wichtigsten im Leben, man solle versuchen, so viel Freude wie möglich zu haben. Der Privatmann Hugo Portisch war, was nicht allzu bekannt ist, Jazzfan. Wenn eine Jazzgröße stirbt, dann ist es in New Orleans oft Tradition, ein "Second Line Begräbnis" abzuhalten. Auf dem Rückweg von der Beerdigung wird von der Brass Band in der Prozession das Leben des Verstorbenen musikalisch besonders zelebriert. Dabei mischen sich die unterschiedlichsten musikalischen Stile und Einflüsse – von Afrika, über die Karibik bis Nordamerika. Ich glaube, Hugo Portisch hätte das gut gefallen…